Die Bundesregierung schafft Fakten im Streit mit dem Bundesland über Eindämmung von B.1.351 - ab Freitag.
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Am Fliegerhorst Aigen ist B.1.351 gelandet. Es handelt sich dabei nicht um einen militärischen Flugzeugtyp, sondern um die erstmals in Südafrika festgestellte Variante des Sars-CoV-2-Erregers. Ihr wird Immunflucht vorgeworfen, die Beweislage wird immer erdrückender. Aigen liegt in der Steiermark, einer der infizierten Piloten wohnt jedoch in Schwaz in Tirol. Dort grassiert die südafrikanische Mutation. Insgesamt sind neun Personen in Aigen infiziert, aber offenbar nur zwei mit der Variante B.1.351. Laut Militärkommando hat man den Cluster bereits eingrenzen können. Das Beispiel Aigen zeigt, wie schnell es gehen kann.
Um das epidemiologisch richtige Vorgehen war ein scharfer Konflikt zwischen Tirol und dem Bund entbrannt, den Rudolf Anschober am Wochenende nicht lösen konnte. Vielmehr eskalierte der sonst um Harmonie bestrebte Gesundheitsminister im "ZiB 2"-Interview am Montag mit Vorwürfen in Richtung Tirol, zu wenig zur Eindämmung dieser gefährlichen Virusvariante zu unternehmen.
Die Tiroler Politik hatte sich ihrerseits tief und fest in einem "Wir-lassen-uns-nichts-diktieren"-Standpunkt eingegraben. Nachsatz: Und schon gar nicht, wenn in Wien "gerülpst" wird, wie es ÖVP-Abgeordneter und Seilbahn-Funktionär Franz Hörl im ORF formulierte. Das Virus wartet Debatten über formalen und gelebten Föderalismus naturgemäß nicht ab, es pressierte also. Doch wie kommt man, für alle Beteiligten gesichtswahrend, aus so einer Situation heraus? Die Antwort kam am Dienstag um 13.10 Uhr per E-Mail: durch eine Pressekonferenz der Bundesregierung.
Das virologische Quartett war diesmal ein Trio, Grünen-Chef Werner Kogler fehlte, doch Anschober kompensierte die Abwesenheit mit besonders langer Ausführung. Der Ton war ein anderer als noch tags davor in der "ZiB 2". Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach gleich zu Beginn die "emotionale Debatte" an. Es gehe aber um keine "Schuld- sondern um eine Fachfrage". Wegen des vermuteten Umgehens der Immunität sei die Eingrenzung von B.1.351 besonders wichtig. "Wenn das nicht gelingt, müssen wir die Ausbreitung zumindest verlangsamen, sonst wird sich der Weg zur Normalität um Monate verzögern", sagte Kurz.
Platter ist "einverstanden"
Die Bundesregierung präsentierte, in vielen Worten, eine einzige Maßnahme, und sie ist temporär auf zehn Tage anberaumt. Vorerst zumindest. Ab Freitag benötigen alle Personen in Tirol, die das Bundesland verlassen wollen, den Nachweis eines negativen Corona-Tests (Antigen). Ausgenommen ist nur Osttirol und sind Kinder bis zum zehnten Lebensjahr. Kontrolliert wird dies von Polizei und Bundesheer, insgesamt 1.000 Personen stehen dafür zur Verfügung, wobei auch in der Eisenbahn geprüft wird, wie Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sagte. Wer der Testpflicht nicht nachkomme, kann mit bis zu 1.450 Euro Strafe rechnen.
Warum nun weitere vier Tage verstreichen, bis die Regelung in Kraft tritt, begründete der Kanzler mit den notwendigen Vorbereitungen in Tirol, da die Kapazität für Tests stark ausgeweitet werden müsse. Freilich, der Vollzug der Ankündigung verlangt eine Verordnung, diese befand sich am Dienstag "noch in Ausarbeitung", wie es aus dem Gesundheitsministerium hieß.
Nicht alle Details wurden in der Pressekonferenz beantwortet. Die Fahrt durch Tirol mit der Bahn ist möglich, der Abfahrtsort ist ja auf der Fahrkarte vermerkt. Beim Autoverkehr wird es schwieriger. Arbeitspendler brauchen einen Test, so viel kam heraus, wie aber die Kontrolle bei der Fahrt durchs Deutsche Eck, der Hauptverkehrsroute in Richtung Osten, gewährleistet werden kann, muss noch geklärt werden.
"Wir sind unserer Schutzverpflichtung nachgekommen", sagte Anschober. Obwohl Kurz auch den Schutz der Tiroler Bevölkerung ansprach, schließlich tritt die Südafrika-Mutante derzeit vorwiegend im Bezirk Schwaz auf, zielt der Plan der Bundesregierung primär auf die Verhinderung einer Weiterverbreitung in andere Bundesländer. Für Beschränkungen innerhalb Tirols müsste also die Landesregierung sorgen. Etwa durch eine Quarantäne jener Orte, in denen das gefährliche B.1.351-Virus gehäuft auftritt. Das wollte eigentlich auch Anschober von der Tiroler Politik, die sich aber dagegen wehrte und am Sonntag auch keine Testpflicht in den betroffenen Regionen wollte. Jetzt gibt es sie für ganz Tirol bei einer Ausreise.
Kurz erklärte, sicherheitshalber mehrfach, dass die Entscheidung mit Günther Platter abgeklärt worden sei. "Es ist eine sinnvolle Maßnahme und wird einen massiven Effekt haben." Der Landeshauptmann zeigte sich in einer ersten Reaktion dann auch einverstanden. Er appellierte an die Bevölkerung, sich testen zu lassen.
SPÖ und Neos hätten lieber eine Quarantäne der stark betroffenen Gebiete gesehen. "Das wäre effektiver", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Neos-Obfrau Beate Meinl-Reisinger nannte eine Quarantäne des Bezirks Schwaz sogar "die einzige Chance, die Ausbreitung zu verlangsamen". FPÖ-Obmann Norbert Hofer bezeichnete die Entscheidung als eine "Placebo-Maßnahme".