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Trotz seiner reichen Erdölvorkommen ist Ecuador das zweitärmste Land Südamerikas. Im Würgegriff von internationalen Erdölmultis und einer horrenden Auslandsverschuldung sucht die Regierung ihr Heil in dem Vorantreiben der Ölförderung im Regenwald. Global 2000 war auf einem Lokalaugenschein und warnt vor der Zerstörung des einzigartigen Naturparadieses im Quellgebiet des Amazonas und kritisiert die Beteiligung der OMV an den "schmutzigen Geschäften".
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Der Klima-Experte von Global 2000, Karl Schellmann, skizziert im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" den Teufelskreis, in dem sich Ecuador befinde. Es sei absurd, dass ein Land, in dem seit 30 Jahren Erdöl gefördert werde, das zweitärmste Land Lateinamerikas sei. Der Gewinn aus dem Ölgeschäft komme vor allem den Erdölmultis und einer ganz schmalen Oberschicht zu Gute, während die Wirtschaft darniederliegt. Gleichzeitig werden Ecuador zusätzlich zur sowieso schon horrenden Auslandsverschuldung ständig weitere Kredite gewährt wodurch "der Würgegriff" ausländischer Geldgeber immer enger werde. Die ständigen Wechsel in der Regierung schwächten das Land zusätzlich gegenüber den Multis. Für die Rückzahlung der Kredite treibt die Regierung wiederum radikal das Erdölförderprogramm voran.
"Die Erdölindustrie ist von Bedeutung für das allgemeine Wohl. Daher sind für die Entwicklung dieses Industriezweiges Enteignung von Grund, Gebäuden und anderen Gütern im Einklang mit dem Gesetz.", heißt es in einem Erlass des ecuadorianischen Energieministeriums. So wurde eine US-amerikanische Stiftung, deren Grund einer neuen Pipelinetrasse im Weg war, erst kürzlich enteignet. "Wie sollen sich indigene Kleinbauern gegen die Enteignung wehren, wenn es nicht einmal diese Stiftung geschafft hat?", umreißt Schellmann die verzweifelte Lage der Regenwaldbewohner.
Der Pressesprecher von Global 2000, Andreas Baur, war kürzlich mit Schellmann und anderen Aktivisten bei einem Lokalaugenschein in dem von der Erdölgewinnung beeinträchtigten Regenwaldgebiet und fand "desaströse Zustände" vor. Rund alle drei Wochen gäbe es Pipeline-Lecks im Dschungel. Das für die Beförderung auf 80 Grad erhitzte Rohöl ergieße sich in das einzigartige Ökosystem und vernichte die Lebensgrundlage der dort seit 4000 Jahren ansässigen Indigenen. Auch die bei der Erdölförderung verwendeten agressiven Chemikalien werden entspannt in den Wald entsorgt, so Baur. Die Vergiftung des Trinkwassers und die Zerstörung der Lebensgrundlage der Ureinwohner seien die Folge. Das Öl und die Chemie gelangten in die Nahrungskette und hätten laut einer Studie die Krebsrate im Gebiet um ein Vielfaches hochschnellen lassen. "Man kann den Leuten nicht sagen: Trinkt kein Wasser mehr.", bringt Baur die Ausweglosigkeit der Indigenen auf den Punkt.
Österreichische Beteiligung?
Besonders beschämend findet Schellmann das österreichische Engagement im Regenwald von Ecuador. "Wie soll man den Menschen erklären, dass eigene Landsleute an ihrem Leid mit Schuld tragen?", fragt er. Absurderweise habe die OMV dieses Frühjahr etwa gleichzeitig mit der Verabschiedung eines Prinzipienkataloges für ökologisches und soziales Vorgehen bei der Arbeit die deutsche Preussag AG gekauft, die einen nicht unbescheidenen Beitrag zu dem ökologischen Disaster in Ecuador leiste.
Michaela Zeeh von der OMV relativiert die Beteiligung ihres Konzerns an den Zuständen im ecuadorianischen Regenwald. Der Erwerb der Preussag AG sei erst am 24. Juni intern abgeschlossen worden. Genehmigungen und Zustimmungen der relevanten Regierungsstellen und der Partnerfirmen in Ecuador werden derzeit eingeholt. Der formale Erwerbsprozess sei daher erst mit dem Erhalt jener Dokumente, die in ein paar Monaten erwartet werden, abgeschlossen. Falls sich die OMV dann für ein Engagement in Ecuador entscheiden sollte, werde selbstverständlich der neue Prinzipienkatalog für ein umweltschonendes Vorgehen zur Anwendung gebracht.
Akuter Handlungsbedarf
Unabhängig von der Beteiligung der OMV besteht dringender Handlungsbedarf. Ein Argument für die Regierung, dem Raubbau Einhalt zu gebieten, sieht Baur darin, dass sehr verzweifelte Menschen unberechenbar werden. Ecuador sei trotz seiner wirtschaftlichen Probleme in innenpolitischer Hinsicht bis jetzt ein recht friedliches Land geblieben. Wenn man die Indigenen weiterhin dermaßen in die Enge treibe, sei die Frage, ob es bei friedlichem Widerstand gegen den Regierungskurs bleibe.
Lucio Guitiérrez, der erst diesen Jänner das Präsidentenamt angetreten hat, war nicht zuletzt mit Hilfe eben der Indigenen an die Macht gekommen. Er verrate nun mit seiner Politik die Bevölkerung, kritisiert Schellmann. Dabei hatte Guitiérrez, der im Wahlkampf einen Feldzug gegen die grassierende Korruption versprochen hatte, sich in den ersten Monaten seiner Regierungszeit durchaus international Respekt verschafft. In kurzer Zeit erreichte er ein neues Stand-By-Abkommen mit dem Internationalen Währungs-Fond im Gesamtvolumen von rund 500 Mill. US-Dollar. Außerdem setzte er äußerst unpopuläre, jedoch längst überfällige Preiserhöhungen für Strom, Telefon und Benzin durch. Bisher hatte sich der Präsidentensessel in Ecuador immer als Schleudersitz erwiesen: Seit 1996 ist Guitiérrez das sechste Staatsoberhaupt. Ob der nach Venezuelas Hugo Chavez und Brasiliens Luiz "Lula" da Silva dritte linksgerichtete lateinamerikanische Präsident also schlussendlich einen Ausweg aus dem Teufelskreis von Erdöl und Auslandsverschuldung finden wird, bleibt abzuwarten.