Schwere Vorwürfe gegen Landärzte mit Hausapotheken und Pharmafirmen erhebt der Journalist Hans Weiss, Co-Autor des Buches "Bittere Pillen". Demnach sei es gängige Praxis, dass Ärzte von Pharmafirmen Medikamente gratis bekommen, diese aber dennoch den Krankenkassen verrechnen. Die Betroffenen bezeichnen die gewährten Rabatte als "rechtlich abgesichert", geben aber eine "schiefe Optik" zu.
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Etwa 40 Prozent der gesamten Medikamentenmenge in Österreich werden laut Weiss verschenkt: Er sprach im Ö1-Morgenjournal vom Mittwoch daher von Betrug und Korruption und stützt sich auf Unterlagen, die ihm von Pharma-Managern zugespielt worden seien. Die Kernaussage darin: Wenn die Ärzte bestimmte Mengen von Medikamenten kaufen, bekommen sie dafür Naturalrabatte. Weiss schließt daraus, dass die Medikamentenpreise um mindestens 40 Prozent überhöht sind.
"Ehrenrührige" Vorwürfe
Die Beschuldigten wehren sich. Der Leiter des Medikamentenreferats der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK), Otto Pjeta, will von Betrug nichts wissen: Rabatte von bis zu 100 Prozent an Spitäler, öffentliche Apotheken und Hausapotheken führende Ärzte seien seit Jahren üblich, das sei aber eine rechtlich abgesicherte Vorgangsweise - in erster Linie bei Neueinführung von Medikamenten, aber auch bei Generika. Damit die Sozialversicherungen "gut leben könnten". Angesichts der von den Pharmafirmen angebotenen Prozentsätze habe er aber mit der Optik "keine Freude", so Pjeta. Damit könnten auch die Sozialversicherer gut leben, denn auch sie erhalten seitens der Ärzte oder Apotheken umsatzabhängige Rabatte. Die Kriminalisierung dieses "sensiblen Bereiches" durch Weiss´ Betrugsvorwürfe seien daher "ehrenrührig".
Im Hauptverband der Sozialversicherungsträger reagiert man weniger gelassen und sieht sich als Geschädigter. Hauptverbands-Vize-Chefin Beate Hartinger knapp: "Es gibt Gerüchte. Wir sind dabei, gesetzliche Änderungen zu machen. Ich glaube, das ist der richtige Weg, damit solche Machenschaften überhaupt nicht mehr möglich sind."
"Schiefes Licht"
Es gebe zwar ein "schiefes Licht" in dieser Angelegenheit, man müsse aber zuerst die Rechtsgrundlage prüfen, meldete sich auch Ärztekammer-Präsident Reiner Brettenthaler zu Wort. Man lasse sich aber nicht in die Nähe eines Betrugs bringen. Brettenthaler gab sich zurückhaltend: Gebe es diese Praxis der "Rabatte" und widerspreche sie der Rechtsordnung, werde "das Ganze natürlich geändert".
Zumal der Korruptionsbekämpfer im Innenministerium, Martin Kreutner, im Ö1-"Mittagsjournal" prompt von einem "Graubereich" sprach. Kreutner sieht in diesem Bereich ein "weltweites Phänomen". Es würde ihn wundern, wenn solche Fälle gerade in Österreich nicht vorkämen. Laut Kreutner sei die Sachlage aber deshalb so schwierig, weil Naturalrabatte grundsätzlich zulässig seien. Dies hat der Oberste Gerichtshof 1999 festgestellt, jedoch in seinem Urteil keine Höhe festgelegt.
Freie Preisgestaltung legal
Darauf beruft sich auch der Verband der pharmazeutischen Industrie, "Pharmig": Naturalrabatte gebe es, diese fallen aber unter die freie Preisgestaltung, sagt Generalsekretär Jan Oliver Huber. Auch die Schlussfolgerung auf überhöhte Preise für Medikamente sei unhaltbar. Diese lägen in Österreich sogar um 14 Prozent unter dem EU-Durchschnitt, so Huber, wer etwas anderes behaupte, leide unter "gravierender Unkenntnis der Faktenlage".
Mittlerweile prüft bereits das Finanzministerium, ob es Beweise für Steuerhinterziehungen gibt. Das Büro für interne Angelegenheiten im Innenministerium prüft in Sachen Korruption, und auch die Staatsanwaltschaft Wien arbeitet an einer Sachverhaltsdarstellung, denn die nö. Gebietskrankenkasse bereitet eine erste Anzeige gegen einen Arzt vor.