Zum Hauptinhalt springen

Teurer Ausschluss

Von Katharina Schmidt

Politik

Bleiben Asylwerber von der Ausbildungspflicht ausgeschlossen, kostet das Milliarden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wien. So richtig mag es ja noch keiner glauben. Aber es könnte sein, dass eine der letzten Gesetzesinitiativen des Ex-Sozialministers Rudolf Hundstorfer am Nationalrat scheitert. Konkret geht es um die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre, die nach langen, zähen Verhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP und mehreren Abänderungsrunden vergangene Woche den Sozialausschuss passiert hat.

Doch weil die Ausbildungspflicht in der Bundesverfassung verankert werden muss, brauchen die Regierungsparteien für einen Beschluss im Nationalrat die Zustimmung von FPÖ oder Grünen. Die Freiheitlichen haben bereits abgewunken - für Sozialsprecher Herbert Kickl ist das Gesetz ein "untauglicher Versuch, das Ruder herumzureißen". Bleiben also noch die Grünen. Und mit denen wird seit Tagen fieberhaft verhandelt. Denn sie begrüßen die Gesetzesinitiative zwar grundsätzlich, immerhin sollen damit Jugendliche, die weder eine Schule noch eine Lehre besuchen, wieder langfristig in die Arbeitswelt zurückgeholt werden. Doch sie wollen nicht zustimmen, solange nicht auch Asylwerber von dem Gesetz umfasst sind.

Und das mit gutem Grund: Sozialsprecherin Birgit Schatz fürchtet, dass der Ausschluss von Asylwerbern "in zwei bis drei Jahren eine Lawine von Problemen bringt, die uns irrsinnig viel Geld kostet". Das Sozialministerium geht auf Basis einer europaweiten Studie zu "Neets" (siehe Kasten) davon aus, dass die österreichweit 5000 Schulabbrecher den Staat jährlich drei Milliarden Euro kosten - neben Transferleistungen wie der Mindestsicherung geht es da etwa auch um niedrigere Steuerleistungen und reduzierten Konsum. Demgegenüber kostet die Ausbildungspflicht für drei Jahrgänge (also 15.000 Jugendliche) insgesamt 70 Millionen Euro.

Dieser Unterschied zwischen kurzfristiger Investition und langfristigen Kosten träfe so auch auf Asylwerber zu.

Verhandeln bis zuletzt

Wie viele von ihnen von der Ausbildungspflicht betroffen wären? Im Folgenden nur ein Gedankenexperiment: Laut Innenministerium sind derzeit 9349 Asylwerber zwischen 14 und 18 Jahre alt und daher nicht mehr schulpflichtig. Würden sie alle keine weiterführenden Schulen besuchen, würde das den Staat über kurz oder lang im schlimmsten Fall knapp sechs Milliarden Euro im Jahr kosten. Demgegenüber stünden knapp 47 Millionen Euro an zusätzlichen jährlichen Kosten für die Ausbildungspflicht. Natürlich sind diese Zahlen zu hoch gegriffen, wenn man bedenkt, dass viele Asylwerber eine weiterführende Schule besuchen - die Größenordnung ist aber klar.

Im Ressort von Sozialminister Alois Stöger sieht man das ähnlich und wünscht sich eine Ausdehnung auf Asylwerber, auch SPÖ-Klubchef Andreas Schieder hat sich am Montag dafür ausgesprochen. Doch die ÖVP will das vermeiden, sie fürchtet eine falsche Erwartungshaltung und einen Pull-Effekt.

Bis Mittwoch bleibt noch Zeit für Verhandlungen, dann soll das Gesetz im Nationalrat zur Abstimmung kommen.

Die Ausbildungspflicht wird Jugendliche bis zum 18. Lebensjahr betreffen, die weder eine weiterführende Schule noch eine Lehre oder eine andere Fortbildungseinrichtung besuchen. Damit sollen die Neets (Abkürzung für "Not in education, employment or training", in Österreich sind das 6,5 Prozent der 15- bis 24-Jährigen) aufgefangen werden.
Der erste Schritt zur Erfüllung der Ausbildungspflicht ist eine verpflichtende Berufs- und Bildungswegorientierung, gefolgt von niederschwelligen Ausbildungsangeboten wie Produktionsschulen. Verletzt ein Kind die Pflicht, drohen den Eltern Strafen von bis zu 1000 Euro.