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Teurer Helfer

Von Martyna Czarnowska

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Gerüchteweise hätten die Türken den Deal mit der EU auch ohne das Geld für die Flüchtlingshilfe geschlossen. Nun sollen weitere Mittel fließen.


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Die ersten drei Milliarden Euro sind aufgebraucht. Drei weitere sollen folgen. Die Finanzhilfe ist Teil einer Vereinbarung zwischen der EU und der Türkei zum Schutz der EU-Außengrenzen und Rückführung von Migranten, die in der Union kein Recht auf Asyl haben.

Das vor zwei Jahren geschlossene Abkommen hat noch vor seinem Inkrafttreten viel Kritik ausgelöst. Menschenrechtsorganisationen aber auch Oppositionspolitiker aus unterschiedlichen Parteienfamilien wandten sich gegen die weit reichenden Zugeständnisse an die Türkei - an eine EU-Kandidatin, die mittlerweile immer mehr von der EU wegdriftet. Die Einwände drehten sich dabei gar nicht so sehr ums Geld als um die Zusagen zur Beschleunigung der Beitrittsverhandlungen und der Gespräche über den Wegfall der Visumpflicht für Türken. Daran ist Ankara auch mehr interessiert als an den Finanzmitteln - die selbstverständlich aber angenommen werden.

Gerüchteweise hätten die Türken den Deal mit der EU auch ohne das Geld für die Flüchtlingshilfe geschlossen. Doch Deutschland soll vorgeprescht sein und das Angebot vorgelegt haben. Zu drei Milliarden Euro "Nein" zu sagen, fällt dann schwer. Es war denn auch Berlin, woher der größte Druck kam, das Abkommen fertigzubringen. Mitten in der Flüchtlingskrise schien die Türkei ein unerlässlicher Partner bei der Sicherung der Grenzen zu Griechenland zu sein. Für die EU-Kommission ist diese These zumindest durch eine Zahl bestätigt: 97. Um so viel Prozent seien die Ankünfte in der EU über die Ägäis gesunken. Dass dies auch auf das Schließen der Balkan-Route zurückzuführen ist, sagt die Brüsseler Behörde selten dazu.

Die Sorge vor einer Wiederholung der Ereignisse von 2015 scheint aber weiterhin so groß zu sein, dass die Türkei noch immer als Bollwerk gegen Migration gesehen wird. Daher sollen dorthin nun weitere drei Milliarden Euro fließen. Wie zuvor sollen die Mittel für die Unterstützung von Flüchtlingen - vor allem aus Syrien - zur Verfügung gestellt werden.

Dagegen wäre nichts einzuwenden. Es liegen auch keine offiziellen EU-Berichte vor, dass das Geld zweckentfremdet wird. In einem anderen Bereich der Finanzhilfe aber gehen Anspruch und Wirklichkeit sehr wohl auseinander. So kommt der Europäische Rechnungshof in einem aktuellen Bericht zu dem Schluss, dass die EU-Mittel zur Heranführung an die Union - die für Beitrittskandidaten bereitgestellt werden - für die Türkei "nur begrenzte Wirkung" zeigen. Das Geld sei nämlich nicht ausreichend auf einige "grundlegende Erfordernisse in den Sektoren Rechtsstaatlichkeit und Regierungsführung ausgerichtet" gewesen. Dabei fordert die EU gerade in diesen Bereichen Reformen - und gerade da ist es sogar zu Rückschritten gekommen. Der Ausnahmezustand nach einem Putschversuch ist in der Türkei noch immer nicht aufgehoben; zehntausende Oppositionelle, Regierungskritiker, Journalisten, Beamte und Soldaten sind noch immer in Haft. Präsident Recep Tayyip Erdogan baut seine Macht beständig aus.

Die EU muss auf Rechtsstaatlichkeit bei ihren Mitgliedern pochen - und bei ihren Kandidaten nicht weniger.