Europäische Verbraucherzentren fordern einheitliches Schlichtungssystem.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Annullierte Flüge, überbuchte Maschinen, beschädigte oder verschwundene Koffer - wer eine Flugreise bucht, der kann unter (widrigen) Umständen ganz schön auf die Nase fallen. Umso erfreulicher, dass der Europäische Gerichtshof die Fluggastrechte im Jänner 2012 neuerlich gestärkt hat. Fluggesellschaften müssen nun ihren Kunden auch dann Verpflegung und Unterkunft zahlen, wenn ihre Flüge wegen außergewöhnlicher Umstände wie einer Naturkatastrophe ausfallen. Und bereits 2012 wurde entschieden, dass die Fluggesellschaften ihre Kunden bei Verspätungen von mehr als drei Stunden genauso entschädigen müssen, als wäre der Flug ausgefallen oder sie hätten diese unberechtigterweise nicht befördert.
Doch recht haben und recht bekommen ist auch im Fluggastrecht zweierlei. Viele Airlines geben sich stur, wenn es um die Zahlung von Entschädigungen geht, und spekulieren darauf, dass die Kunden vor teuren Gerichtsverfahren zurückschrecken.
Immer mehr Verbraucher wenden sich bei grenzüberschreitenden Rechtsstreitigkeiten im Fluggastrecht daher an das Netzwerk der Europäischen Verbraucherzentren (ECC-Net). Rund 20 Prozent aller dort eingehenden Beschwerden betreffen mittlerweile Fluggastrechte. Das ECC-Net ging mit der Studie "Alternative Dispute Resolution (ADR) in the Air Passenger Right Sector" nun der Frage nach, wie es europaweit um die meist schnellere und günstigere Alternative Streitbeilegung im Bereich der Fluggastrechte steht. Zentrales Ergebnis des jüngst veröffentlichten Berichts: "Die Alternativen Streitbeilegung ist von Land zu Land sehr unterschiedlich ausgeprägt und hat bisher nicht ihr volles Potenzial erreicht."
Zahnlose Regelung
Tatsächlich belegt die Untersuchung, dass es innerhalb der EU, in Island und Norwegen immer noch kein einheitliches System der Streitbeilegung für Fluggastrechte gibt. In manchen Staaten sind ADR-Verfahren kostenlos, in anderen gebührenpflichtig. In Italien und Portugal sind die Entscheidungen von Schlichtungsstellen bindend, in Frankreich und Deutschland nicht. Sehr zum Nachteil der Passagiere. Denn: "Wo ein Schlichtungsverfahren nicht zwingend ist, beteiligen sich viele Airlines nicht an dem Verfahren", heißt es im ECC-Bericht. "So sind etwa viele Airlines in Deutschland nicht bereit, sich an Schlichtungsverfahren zu beteiligen."
Und dann gibt es noch jene Länder, die keine ADR-Verfahren im Bereich der Fluggastrechte vorsehen. Dazu gehört - neben der Slowakei, den Niederlanden, Großbritannien, Bulgarien und Rumänien - auch Österreich. Geschädigte Passagiere, die keine Lösung mit der Fluglinie finden, können sich zwar an das europäische Verbraucherzentrum oder die Servicestelle für Fluggastrechte im Verkehrsministerium wenden, sind aber auch deren Interventionen erfolglos, bleibt nur der Gang zu Gericht.
Anders in Italien. Dort gibt es mit der paritätischen Alitalia-Schlichtung ein europaweit einzigartiges Modell, bei dem die meisten italienischen Verbraucherschutzorganisationen und die Fluggesellschaft Alitalia zusammenarbeiten. Die Schlichtung kommt zum Zug, wenn der Verbraucher bereits reklamiert und innerhalb von 60 Tagen gar keine oder keine zufriedenstellende Rückmeldung erhalten hat. "Unsere Erfahrung zeigt, dass es sich um ein nützliches Instrument zur Lösung solcher Beschwerden handelt", erklärt Alitalia-Schlichterin Monika Nardo. "In den meisten Fällen, die wir betreut haben, ist es gelungen, eine für die Verbraucher mehr als zufriedenstellende Lösung zu erreichen."
Onlineportal für Betroffene
Das ECC-Net hat nun aufgrund der Studienergebnisse Verbesserungsvorschläge ausgearbeitet. Die wichtigsten Forderungen lauten:
Sicherstellung eines verlässlichen, europaweiten Netzwerkes an Schlichtungsstellen.
Ausbau der Kooperationen von bestehenden Schlichtungsstellen, nationalen Durchsetzungsbehörden und Verbrauchervereinen in der EU, um Schlichtungsverfahren transparenter zu gestalten.
Unterstützung der EU-weiten Internetplattform für Online-Streitbeilegung. Dieses Vorhaben der Europäischen Kommission soll es Verbrauchern künftig ermöglichen, ihren persönlichen Fall online zu stellen und automatisch an die zuständige Schlichtungsstelle weitergeleitet zu werden.
Weitere Infos:Europäisches Verbraucherzentrum: www.europakonsument.atÖsterreichische Fluggastrecht-Servicestelle: www.bmvit.gv.at/Download der Studie: http://www.eu-verbraucher.de