Zum Hauptinhalt springen

Teurer Spaß "Gürtelfrische West"

Von Sonja Gerstl

Politik

150.000 Euro Projekt- , kolportierte 110.000 Euro Zusatzkosten und die Stadt bezahlt auch noch Miete für einen Minipool.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Ein Polyacrylbelag in Rasenoptik, Euro-Paletten, eine Handvoll Liegestühle, Topfpflanzen, ein ausrangierter Linienbus, ein Plastikwannen-Pool. Willkommen in der "Gürtelfrische West"!

Um den daheimgebliebenen Wienerinnen und Wienern so etwas wie Urlaubsfeeling zu bescheren, wurden sieben Fahrspuren der Gürtelkreuzung zwischen Felberstraße und Stollgasse für den Verkehr gesperrt und inmitten von Verkehrslärm und Schadstoffbelastungen eine Pop-up-Freizeitoase errichtet. Als Väter der Idee gelten der SPÖ-Bezirksvorsteher von Rudolfsheim-Fünfhaus, Gerhard Zatlokal und der grüne Bezirksvorsteher von Neubau, Markus Reiter. Als Projektleiter fungiert die Kommunikations- und PR-Agentur art.phalanx. Letztere managt zugleich auch die Zwischennutzung des ehemaligen Sophienspitals, das nur einen Steinwurf von der Gürtelfrische West entfernt auf der zum 7. Bezirk gehörenden Seite des Neubaugürtels liegt. 2022 sollen dort Wohnungen errichtet werden. Bis dahin will man Kunst- und Kulturschaffende dort einmieten.

Das Vorhaben "Gürtelfrische West" erhitzte von Anfang an die Gemüter. Viele monierten erhebliche Verkehrsbehinderungen, vielen erschienen die 150.000 Euro für das ursprünglich für vier Wochen anberaumte Projekt zu hoch. Jetzt wird die "Gürtelfrische West" lediglich drei Wochen Station machen. Bei gleichbleibenden Kosten und laut "Kurier" kolportierten Zusatzkosten von mindestens noch einmal 110.000 Euro für verkehrstechnische Maßnahmen wie Sperren, Ampelsteuerungen, etc. Aus dem Büro der zuständigen Stadträtin Birgit Hebein, die laut art.phalanx "ideelle Unterstützerin der ersten Stunde" ist, hieß es damals, dass man mit weiteren Kosten rechne. In welcher Größenordnung sich diese bewegen werden, sei derzeit allerdings noch unklar.

Will man in der reichlichst verworrenen Causa Licht ins Dunkel bringen, stößt man schnell an seine Grenzen. Selbst über die Entstehungsgeschichte des Vorhabens kursieren zahlreiche Lesarten. Hieß es zunächst noch, dass die "Gürtelfrische West" ein PR-Projekt von art.phalanx sei, um die nur mäßig voranschreitschreitende Zwischenvermietung des Sophienspitals medienwirksam anzukurbeln, meldeten sich alsbald die Bezirksvorstehungen des 7. und 15. Bezirks als Geldgeber und Initiatoren zu Wort. Man wolle den Corona-geplagten Bewohnerinnen und Bewohnern eine Freude machen, hieß es am 5. Juli in einer gemeinsamen Aussendung. Ende der Vorwoche erklärte dann der Büroleiter der Bezirksvorstehung Neubau, Christoph Schuster, via Facebook, dass man eigentlich die verkehrstechnischen und raumplanerischen Auswirkungen einer Komplettsperre der Gürtelmittelzone austesten wolle. Und das deshalb, weil in dem Grätzl ab 2021 der City Ikea rund 10.000 Besucher täglich anlocken werde. Darauf müsse man schließlich vorbereitet sein.

Unklare Beschlusslage

Dass diese, im Fachjargon "temporäre Intervention", den Menschen darüber hinaus einen Pool beschere, sei quasi die Draufgabe.

Der Blogger Christoph Weissenbäck ("Stadtpolitik") hat sich daraufhin auf die Suche nach entsprechenden, in den beiden Bezirksvertretungen gefällten Beschlüssen gemacht und wurde nicht fündig.

Unklar ist zudem auch, woher die 150.000 Euro kommen. Hieß es zunächst noch, dass Rudolfsheim-Fünfhaus zwei Drittel und Neubau ein Drittel der Projektkosten übernehmen werde, erklärte Bezirksvorsteher Zatlokal in einem Interview mit Ö1, dass die Stadt Wien die finanziellen Mittel für Pool & Co aus dem Klimafonds aufbringen werde.

Apropos Pool: Nachdem die beiden Bezirksvorsteher als Ideengeber offenbar wider besseren Wissens zunächst einen alten Frachtcontainer als Schwimmbecken vorgeschlagen hatten, stellte sich kurze Zeit später heraus, dass dieser (wenig überraschend) nicht den geltenden Bestimmungen der Bäderhygiene entsprechen würde. Deshalb kaufte kurioserweise art.phalanx aus eigener Tasche und nicht etwa aus dem vorhandenen Budget ein elf Meter langes, drei Meter breites und 1,5 Meter tiefes 08/15-Plastikbassin samt erforderlicher Pooltechnik.

"Auch wir haben in das Projekt investiert", sagt art.phalanx-Sprecherin Susanne Haider. Was sie nicht sagt, ist, dass art.phalanx mit dem Platschbecken künftig quer durch Wien auf Tour gehen wird, also ein Projekt, das eigentlich, bzw. angeblich von zwei Bezirksvorstehern auserkoren wurde, gewinnbringend als das eigene vermarktet.

Noch kurioser ist freilich, dass die beiden Bezirke der Agentur nunmehr für Pool und Pooltechnik anteilig Miete zahlen müssen, was art.phalanx-Geschäftsführer Clemens Kopetzky auf Anfrage der "Wiener Zeitung" bestätigt. Die 150.000 Euro seien, so Kopetzky, "primär zur Abdeckung von Personal- und Betriebskosten gedacht", erklärt er.

Nicht auskunftsfreudig

Dass die Stadt jetzt auch noch kolportierte 110.000 Euro für begleitende Verkehrsmaßnahmen zahlen muss, sieht er außerhalb seiner Kompetenz.

Ob er als Projektverantwortlicher denn nicht damit gerechnet hätte, dass es möglicherweise einigen zusätzlichen Aufwand mit sich bringe, wenn man ein derartiges Projekt mitten auf Wiens meistbefahrener Straße platziert? "Das fällt nicht in unsere Zuständigkeit", sagt Kopetzky und verweist auf die beiden Bezirksvorsteher Zatlokal und Reiter.

Die "Wiener Zeitung" hat Gerhard Zatlokal und Markus Reiter mehrfach um eine Stellungnahme gebeten. Beide waren jedoch bis zum Redaktionsschluss nicht erreichbar.