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Der EuGH verband gegen Frankreich erstmals das bisher allein verhängte Zwangsgeld mit einem Pauschalbetrag wegen Nichtbefolgung eines früheren Urteils. | Was passiert, wenn ein EU-Mitgliedstaat ein gegen ihn vom Gerichtshof (EuGH) verhängtes Urteil nicht befolgt? Die Kommission kann nach Artikel 228 Abs 2 EG-Vertrag ein neues Vertragsverletzungsverfahren einleiten und dem EuGH die Verhängung eines Pauschalbetrages oder eines Zwangsgeldes vorschlagen.
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Bei den bisherigen drei Verfahren gegen Griechenland, Spanien und Frankreich verhängte der EuGH lediglich ein Zwangsgeld, im vierten Verfahren (Rechtssache C-304/02 gegen Frankreich) setzte er sich aber über den Wortlaut des EG-Vertrages hinweg und verband das Zwangsgeld erstmals mit einem Pauschalbetrag. Damit können die an sich alternativ vorgesehenen Sanktionen (Zwangsgeldes oder Pauschalbetrag) nebeneinander für den gleichen Verstoß verhängt werden.
Was waren die Argumente des EuGH? Kommt ein Mitgliedstaat über längere Zeit einem Urteil nicht nach oder stellt er seinen Verstoß gar erst in der Endphase des Vertragsverletzungsverfahrens vor Urteilsverkündung ab, dann zöge dies im Falle eines bloßen Zwangsgeldes keinerlei Sanktion nach sich; Schlussendlich kam ja der Staat seiner Pflicht - wenn auch verspätet - nach. Somit muss neben der Verhängung eines Zwangsgeldes (wegen Nichtbefolgung des zweiten Urteils) auch die gleichzeitige Verhängung eines Pauschalbetrages (wegen Nichtbefolgung des ersten Urteils) möglich sein.
Unter Bezugnahme auf dieses Urteil spezifizierte die Kommission die drei Kriterien, die sie für die Anrufung des EuGH nach Art 228 EG-Vertrag anwenden wird, nämlich: Die Schwere des Verstoßes, dessen Dauer und die erforderliche Abschreckungswirkung, um einen erneuten Verstoß zu verhindern. Die beiden Sanktionen - Pauschalbetrag und Zwangsgeld - müssen den Umständen angemessen und in Bezug auf den festgestellten Verstoß und auf die Zahlungsfähigkeit des betreffenden Mitgliedstaats verhältnismäßig sein. Deren Berechnungsmodus gestaltet sich daher relativ komplex.
Berechnungsmodus
Die Berechnung des Zwangsgeldes wird von der Kommission nach Tagessätzen vorgenommen, wobei sich deren Höhe durch die Multiplikation eines einheitlichen Grundbetrages (600 Euro pro Tag) mit einem Schwerekoeffizienten (von 1 bis 20) und einem Dauerkoeffizienten (von 1 bis 3) errechnet. Das Ergebnis multipliziert man mit einem so genannten Abschreckungsfaktor, das ist ein fester Länderfaktor (etwa für Österreich 4,84), der sowohl die Zahlungsfähigkeit des Mitgliedstaates (Bruttoinlandsprodukt pro Kopf) als auch dessen Stimmengewichtung im Rat (Österreich hat hier 10 Stimmen) berücksichtigt. Der so ermittelte Abschreckungsfaktor führt zu einer angemessenen Differenzierung - von 0,36 für Malta bis 25,4 für Deutschland - nach Wirtschaftskraft.
Bei der Berechnung des Pauschalbetrages zieht die Kommission zwei Komponenten heran: Einen (festen) Mindestpauschalbetrag (für Österreich 2,42 Millionen Euro) und einen Berechnungsmodus, bei dem ein Tagessatz mit der Anzahl der Tage, an denen die Zuwiderhandlung nicht abgestellt wird, multipliziert wird. Der Tagessatz wird dabei wie bei der Berechnung des Zwangsgeldes (Grundbetrag, Schwerekoeffizient, Abschreckungsfaktor) ermittelt; Allerdings ohne Heranziehung eines Dauerkoeffizienten, da die Dauer des Verstoßes bereits durch die Multiplizierung eines Tagessatzes mit der Anzahl der Verstoßtage berücksichtigt ist.
Zwangsgeld und Pauschalbetrag können sich daher zu exorbitant hohen Beträgen kumulieren. Das Nichtbefolgen von Urteilen des EuGH wird damit in Zukunft extrem teuer und zwingt zu einem raschen Abstellen der Zuwiderhandlung.