Zum Hauptinhalt springen

Texas ist nicht mehr das Zentrum der Ölwelt

Von Barbara Ottawa

Wirtschaft

Die Ölsorte Brent, die man als Mitteleuropäer in der einen oder anderen Form in den Tank füllt, entwickelt sich zum neuen Standard für Rohöl-Investments.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 12 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Lassen wir für den Moment die Ethik von Ölinvestitionen außer Acht und auch die "Peak-Oil"-Diskussion, also die Frage, ob die Ölfördermengen nur noch abnehmen werden. Wenn man sich entschieden hat, in Rohöl zu investieren, kann es sein, dass man auf das falsche "Schwarze Gold" setzt: Bis vor kurzem war die Ölsorte "West Texas Intermediate" (WTI) am stärksten nachgefragt und der Maßstab für die meisten Rohöl-Investmentvehikel, vor allem "Futures", also Wetten auf Preisentwicklungen. "WTI ist die US-Hausmarke, die mit Pipelines in den USA verteilt wird", erläutert Bernhard Wenger, Direktor für Österreich und Deutschland bei ETF Securities, einem Spezialisten für börsegehandelte Fonds. "Das ist in Ordnung, wenn die Pipelines dort hingehen, wo die größte Nachfrage herrscht, aber das sind mittlerweile nicht mehr die USA." Andere Ölmarken, vor allem das in der Nordsee gewonnene Brent-Öl können im Gegensatz dazu mit Schiffen von den Bohrinseln in die ganze Welt verschifft werden - dorthin, wo der größte Bedarf ist und die besten Preise gezahlt werden.

Im vergangenen Jahr waren einerseits die USA zum ersten Mal seit 1949 Netto-Exporteur von Rohöl und andererseits hat Brent, trotz leicht geringerer Qualität, zum ersten Mal WTI im Preis übertroffen - und die Schere geht weiter auf.

Zum einen wird dieser Trend durch gesteigerte Nachfrage in Asien verstärkt, zum anderen durch technische Probleme der Amerikaner, die ihre für den Binnentransport eingerichteten Pipelines erst auf Export umstellen müssen.

Auch Koen Straetmans von ING Investment merkt an, dass die "Überversorgung bei WTI Crude bestehen bleibt" und dass die Öllager in Oklahoma schon praktisch voll sind. Neben den technischen Herausforderungen ist Rohöl aus Tiefseebohrungen, die seit dem BP-Unfall langsam wieder anlaufen, ein direkter Konkurrent zu WTI.

Überdies forcieren die USA und Kanada die umstrittene Ölsand-Gewinnung, bei der auf großen Flächen Bitumen gewonnen wird, was laut Umweltschützern und der vor Ort lebenden indigenen Bevölkerung enorme Schäden an der Natur verursachen würde. All das bringt die Ölmarke WTI unter Druck. Wer an der Entwicklung des internationalen Ölmarktes teilnehmen will, sollte laut Wenger in Brent-Futures und nicht in WTI-Futures investiert sein. Von Ersteren gibt es aber noch nicht sehr viele und große Indizes, wie etwa der Dow-Jones-UBS-Rohstoffindex, haben erst vergangenes Jahr begonnen, Brent statt WTI als repräsentative Rohölmarke aufzunehmen. Wenger ist überzeugt, dass Brent "der neue Standard werden wird", denn Anlegern sollte bewusst sein, dass "es keinen Sinn macht, in einen Öl-Index investiert zu sein, in dem nur andere Finanzinvestoren sind". Die Ölindustrie selbst habe sich nämlich größtenteils auf Brent als neuen Standard verständigt.

Barbara Ottawa ist freie Journalistin und berichtet vorwiegend über Investitionen und Pensionskassen.