Hashim Thaci darf sich als klarer Sieger der Parlamentswahl im Kosovo fühlen. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird der "alte" Premier auch künftig die Regierungsgeschäfte in Pristina führen. Die Ergebnisse spielen dem Chef der Demokratischen Partei (PDK) absolut in die Hände. Er kann jetzt genau jene Koalition bilden, die politische Beobachter bereits vor der Wahl als wahrscheinlichste ansahen. Zum einzigen "Stolperstein" für Thaci könnten die massiven Manipulationsvorwürfe werden.
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Sollten die Trends und Umfrageergebnisse bestätigt werden, scheint die Sache ziemlich klar: Thaci könnte mit der Allianz Neues Kosovo (AKR) des steinreichen Behgjet Pacolli und mit Unterstützung von Minderheitenparteien die neue Regierung bilden. "Wir werden einen kleineren Partner für die Regierung wählen und wir werden die Koalition mit Parteien aus nicht-albanischen Gemeinschaften bilden", gab es aus den Reihen der DPK bereits eine Art Bestätigung.
Rechnerisch wird die Mehrheit dadurch möglich, dass Minderheitenvertretern 20 der insgesamt 120 Parlamentssitze zustehen, zehn davon sind für die serbische Volksgruppe reserviert. Die serbische Minderheit würde durch die Selbstständige Liberale Partei (SLS) in der Regierung vertreten sein. Die SLS, die als stärkste serbische Partei aus den mehrheitlich von Serben boykottierten Wahlen hervorging, war bereits in die bisherige Regierung unter Premier Thaci eingebunden.
Eine Kooperation zwischen der Thaci-Partei mit dem bisherigen Partner, der Demokratischen Liga (LDK), scheint ausgeschlossen. Zu viel ging in der vorangegangenen Koalition kaputt und zu groß ist im Moment die Kluft zwischen den beiden stärksten Parteien. Die nationalistische Bewegung "Vetevendosje" (Selbstbestimmung), wenig überraschend auf Anhieb drittstärkste Kraft im Parlament, ist im Westen nicht salonfähig, da sie offen für die Vereinigung der albanisch besiedelten Gebiete zu einem "Großalbanien" eintritt. Eine große Überraschung wäre eine Koalition mit der Allianz des Kosovo (AAK). Denn deren Chef Ramush Haradinaj, der sich vor dem UNO-Tribunal in Den Haag wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen verantworten muss, und Thaci sind Erzrivalen. Einst kämpften sie Seite an Seite und in führenden Positionen der "Kosovo-Befreiungsarmee" (UCK) gegen serbische Sicherheitskräfte.
Doch alle Koalitionsspekulationen könnten hinfällig werden, sollten die massiven Manipulationsvorwürfe gegen Thaci bestätigt werden, wie die Kosovo-Berichterstatterin des Europaparlaments, Ulrike Lunacek, meinte. Konkret sind zwei Hochburgen von Thaci (Srbica und Glogovac) im Visier, wo 93 Prozent der Bürger ihre Stimme abgegeben haben sollen. Zum Vergleich: Die Wahlbeteiligung in ganz Kosovo belief sich auf 48 Prozent.
Siehe auch:Betrugsvorwürfe gegen Wahlsieger