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Das Lager von Ex-Premier Thaksin gewinnt überlegen Parlamentswahl. | Betrugsvorwürfe könnten Ergebnis noch auf den Kopf stellen.
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Bangkok. Die Töne bei den Wahlverlierern in Thailand sind vorerst versöhnlich. Die Armee sprach am Montag davon, dass sie den demokratischen Willen des Volkes akzeptieren werde, und der scheidende Premier Abhisit Vejjajiva räumte seine Niederlage ein.
Die Parlamentswahl am Wochenende hat die traditionellen Eliten des südostasiatischen Landes erschüttert, die Generäle, die Oberschicht, die Berater des Königshauses, die alle Abhisit unterstützt hatten: Die von der 44-jährigen Geschäftsfrau Yingluck Shinawatra angeführte oppositionelle Partei Pueah Thai (Für Thais) sicherte sich die absolute Mehrheit im Parlament und errang 265 der 500 Sitze. Die Demokratische Partei von Abhisit kam dem vorläufigen Endergebnis zufolge auf 159 Mandate.
Das Militär hatte vor dem Votum dazu aufgefordert, die Pueah Thai nicht zu wählen. In der Vergangenheit hatte die Armee immer wieder geputscht, es gab Befürchtungen, dass das auch diesmal der Fall sein könnte. "Das Volk hat sich eindeutig ausgesprochen, also kann die Armee nichts machen", sagte aber nun der scheidende Verteidigungsminister Dravit Wongsuwon nach Gesprächen mit Militärführern.
Die Pueah Thai verdankt ihren Erfolg vor allem der ärmeren ländlichen Bevölkerung und den städtischen Tagelöhnern. Das Wahlergebnis ist auch der Erdrutschsieg eines Abwesenden: Der im Exil lebende Ex-Premier Thaksin Shinawatra, ein Held der Armen, zieht bei der Partei im Hintergrund die Fäden. Er war unter dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs vom Militär 2006 gestürzt worden. Die Armee will unbedingt eine Heimkehr des Milliardärs verhindern.
Deal zwischen Armee und Pueah Thai
Die Pueah-Thai-Spitzenkandidatin Yingluck Shinawatra ist die jüngere Schwester von Thaksin, die dieser als seinen Klon bezeichnet. Sie sendete nach ihrem Wahlsieg beruhigende Signale an das Militär: Sie wies indirekt Spekulationen zurück, dass ihr Bruder zurückkehren wird. Dafür wäre eine Amnestie notwendig, da Thaksin, als er schon im Ausland war, wegen Korruption zu zwei Jahren Haft verurteil worden war. "Die Pueah-Thai-Partei hat keine Pläne für eine Amnestie für eine einzige Person", sagte Yingluck. "Die Justiz muss alle Leute gleich behandeln."
Und auch der in Dubai weilende Thaksin sagte, seine Rückkehr habe derzeit "keine Priorität". Es sieht ganz nach einem Deal zwischen Pueah Thai und der Armee aus: dass Thaksin im Exil bleibt und die Generäle dafür Yingluck als erste weibliche Ministerpräsidentin des Landes akzeptieren. Ob sich Thaksin auf Dauer damit einverstanden zeigt, ist aber fraglich.
Ein derartiges Bündnis könnte aber noch aus einem ganz anderen Grund brüchig werden. Im vergangenen Jahr hatten die mit der Pueah Thai verbündeten Rothemden, eine außerparlamentarische Bewegung, gegen die Regierung in Bangkok demonstriert. Das Protestcamp wurde von der Armee aufgelöst, bei Straßenschlachten wurden mehr als 90 Menschen getötet, der Großteil davon Demonstranten. Viele Rothemden verlangen, dass die verantwortlichen Militärs zur Rechenschaft gezogen werden. Bei einem derartigen Schritt der Regierung würde die Armee aber wohl kaum tatenlos zusehen. Yingluck wiederum könnte zwischen der Armee und ihrer Parteibasis zerrieben werden.
Reklamationen wegen Wahlbetrugs
Der Sieg der Pueah Thai ist aber trotz des eindeutigen Ergebnisses noch nicht ganz sicher. Denn nicht weniger als 1900 Beschwerden über Wahlbetrug sind bei der Wahlkommission eingelangt, die die Reklamationen in den nächsten zwei Wochen prüfen will. Kommissionsmitglied Somchai Jungprasert sagte der "Bangkok Post", dass die meisten Beschwerden aus dem Norden und Nordosten des Landes kommen. Dort liegen die Hochburgen der Pueah Thai. Kandidaten, die beim Stimmenkauf erwischt werden, verlieren ihr Mandat, auch ganze Parteien können deshalb aufgelöst werden.
Ein derartiges Urteil sprach das Verfassungsgericht 2008 gegen die Partei der Volksmacht (PPP) aus, die dadurch ihre Regierungsmacht verlor. Die Thaksin-nahe PPP war die Vorgängerorganisation der Pueah Thai. Sollten die Gerichte erneut den Wahlsieg des Thaksin-Lagers annullieren, kann man sich sicher sein, dass es wie schon in der Vergangenheit zu heftigen Protesten kommen wird.
Die Wahlbeschwerden werden wohl auch mit ein Grund dafür sein, warum Yingluck ankündigte, dass sie trotz der absoluten Mehrheit ihrer Bewegung eine Koalitionsregierung mit vier kleineren Parteien bilden will. Die Anzahl der Regierungsmandate würde sich dadurch von 265 auf 299 erhöhen.
Yingluck steht jedenfalls den Armen mit vielen Versprechen im Wort. Diese reichen von höheren Löhnen bis zu verschiedenen Subventionen, die vor allem in ländlichen Regionen die Kaufkraft stärken sollen. Schon ihr Bruder errang seine Popularität bei den Armen, indem seine Regierung günstige Kredite und eine sehr billige Krankenversicherung schuf.