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Unversöhnlich stehen einander in Thailand zwei Lager gegenüber. Ein Ausgleich scheint in weiter Ferne. Wie gefährlich ist die Spaltung des Landes? Eine Analyse.
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Bangkok/Wien. Nun geht es in Thailand Schlag auf Schlag: Nachdem Yingluck Shinawatra erst am Mittwoch vom Verfassungsgericht wegen Amtsmissbrauch entmachtet worden war, wurde die gestürzte Premierministerin jetzt von der Antikorruptionsbehörde angeklagt. Bei einem Subventionsprogramm für Reisbauern soll der Staat wegen Missmanagements umgerechnet drei Milliarden Euro verloren haben. Die Behörde verwies den Fall an den Senat. Yingluck drohen bei einem Schuldspruch ein fünfjähriges Politikverbot und eine Anklage vor einem Strafgericht.
Es ist dies eine weitere Niederlage für den Thaksin-Clan: Yingluck ist die Schwester des wegen Korruption verurteilten Ex-Premiers Thaksin Shinawatra, der für die ärmeren Massen üppige Sozialprogramme auflegte. Nachdem er 2006 vom Militär gestürzt worden war und ins Exil ging, betrieben seine Gefolgsleute diese Politik weiter und gewannen damit abermals Wahlen. Ihre erbitterten Gegner sind die Bevölkerung im Süden, die Bangkoker Mittelschicht und die alten Eliten. Sie werfen dem Thaksin-Lager vor, mit Steuergeld die Stimmen der Armen zu kaufen, um dann unsaubere Geschäfte zu betreiben.
Keine vermittelnde Instanz
Seit Jahren stehen sich die beiden Lager unversöhnlich gegenüber, ist die eine Seite an der Macht, protestiert die andere und umgekehrt. Fatal wirkt sich dabei aus, dass es keine unabhängige, vermittelnde Instanz gibt. Die Gerichte, die diese Rolle übernehmen könnten, sind mehr Teil des Problems als dessen Lösung. Denn sie werden von den Thaksin-Anhängern nur als weiteres Instrument der Eliten wahrgenommen. Was nicht wundernimmt: Mit Yingluck wurden schon drei gewählte Regierungschefs, die Thaksin nahestehen, von den Richtern gestürzt.
Bliebe noch das Königshaus mit dem gottgleich verehrten 86-jährigen König Bhumibol Adulyadei. Doch dieses soll in dem Konflikt selbst gespalten sein.
Thailand stehen nun entscheidende Tage bevor. Zwei Bewegungen haben für die kommenden Tage Massenproteste angekündigt. Einerseits wird die von Ex-Vizepremier Suthep Thaugsuban angeführte Anti-Regierungskoalition aufmarschieren. Suthep und seine Anhänger wollen das gegenwärtige Kabinett - Yinglucks Partei ist noch immer an der Macht - stürzen. Und sie wollen die Demokratie aushebeln. Denn der selbst schon wegen Korruption belangte Suthep weiß: Das Thaksin-Lager wird die nächsten Wahlen wieder gewinnen. Anstatt dass seine Bewegung versucht, die Massen für sich zu gewinnen, will sie vorübergehend einen nicht gewählten Volksrat einsetzen.
Andererseits wollen die Rothemden, die den Thaksin-Clan unterstützen, hunderttausende ihrer Anhänger aus dem Nordosten des Landes nach Bangkok karren. Die beiden Lager sollen strikt getrennt werden, trotzdem herrscht Angst vor Zusammenstößen. Denn auf beiden Seiten gibt es Militante, und es reicht oft schon eine kleine Provokation, damit die Lage eskaliert. Bereits in den vergangenen Monaten gab es gewaltsame Zusammenstöße zwischen den beiden Lagern mit mehr als 20 Todesopfern.
Das Militär, das schon oft geputscht hat, möchte sich diesmal aus dem Konflikt heraushalten. Gleichzeitig verlautete aus Armeekreisen, dass man eingreifen werde, wenn die Gewalt überhand nimmt. Doch selbst die Armee ist laut Beobachtern keine Einheit. Während die oberen Ränge großteils als loyal gegenüber den alten Eliten gelten, sollen viele einfache Soldaten den Rothemden nahestehen. Sie werden im Volksmund Melonen genannt: Außen grün und innen rot. Eine Spaltung der Armee wäre das schlimmste aller Szenarien. Dann droht das südostasiatische Land in einen Bürgerkrieg abzudriften.
Noch ist Thailand davon weit entfernt. Aber so lange Politik über Massenproteste und Gerichte betrieben wird, so lange keinerlei Annäherung zwischen den Lagern stattfindet, bleibt die Gefahr, dass der erbitterte Machtkampf außer Kontrolle gerät.