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USA überfliegen demonstrativ Chinas Luftverteidigungszone - Peking reagiert gelassen.
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Peking. Nur die Ziegen merkten nichts. Die einzigen Bewohner der Senkaku-Diaoyu-Inseln im Südchinesischen Meer blieben weitgehend unbeeindruckt, als in der Nacht von Montag auf Dienstag zwei US-Bomber vom Typ B-52 zirka 200 Kilometer an ihrem Eiland vorbeiflogen. Beim chinesischen Verteidigungsministerium schrillten hingegen die Alarmglocken, denn immerhin streiften gerade zwei Kampfflugzeuge den östlichen Rand der erst am Samstag ausgerufenen "Luftverteidigungszone" - ohne Peking wie gefordert vorab darüber informiert zu haben. Ungestört flogen die beiden unbewaffneten Maschinen daraufhin wieder zurück zu ihrem Pazifikstützpunkt Guam. Ein "Routinemanöver" sei der Überflug gewesen, lange geplant und ohne Zwischenfälle, gab sich das Pentagon am nächsten Morgen betont gelassen. Tatsächlich war er jedoch die faktische Antwort auf die Frage, was Washington vom neuen chinesischen "Identifikationsgebiet für Luftverteidigung" (ADIZ) hält: nichts.
Die Aktion ist andererseits auch als klares Signal an Japan zu verstehen, auf wessen Seite die USA im sich zuspitzenden Inselstreit stehen. Peking erhebt seit Jahren Anspruch auf die von Tokio kontrollierte Inselgruppe, die in Japan Senkaku und in China Diaoyu genannt wird. Am Wochenende versuchte die chinesische Regierung offenbar, mit der neuen Luftverteidigungszone Fakten zu schaffen, wonach sich ausländische Flugzeuge künftig identifizieren und den Anweisungen der chinesischen Luftwaffe folgen müssten. Dabei handelt es sich zwar um keine Flugverbotszone, allerdings überlappt sie sich mit der seit den 1960er Jahren bestehenden Luftverteidigungszone Japans. Damit hat die Volksrepublik ihren Anspruch auf das Territorium, das unter japanischer Verwaltung steht, erstmals mit der Androhung militärischer Gewalt geltend gemacht.
Um den Worten Nachdruck zu verleihen, ist am Dienstag Chinas einziger Flugzeugträger "Liaoning", begleitet von zwei Zerstörern und zwei Fregatten, aus dem Hafen von Qingdao ausgelaufen. Zielgebiet: Südchinesisches Meer, wo sich China mit den Philippinen, Vietnam und anderen Staaten ebenfalls um die Hoheitsrechte über weite Seegebiete und Inseln streitet. Laut der chinesischen Marine übrigens ebenfalls ein "Routinemanöver".
Neue Phase der Spannungen
Auffallend ist, dass Peking bislang offiziell kaum auf den Überflug der beiden B-52-Bomber reagiert hat. Ein Sprecher der Volksbefreiungsarmee sagte lediglich, man hätte die beiden Flüge "registriert", während Luftwaffengeneral Qiao Liang damit drohte, dass nicht identifizierte "feindliche" Flugobjekte künftig mit einem Abschuss zu rechnen hätten. Doch es scheint, als hätten die USA China auf dem falschen Fuß erwischt - mit einer derart raschen und provokativen Reaktion hatten die Strategen in Peking angesichts der ohnehin angespannten Beziehungen wohl nicht gerechnet.
Tatsächlich tritt der seit längerem schwelende Konflikt zwischen der neuen und der alten Großmacht in eine neue Phase ein. Erstmals drohte die Situation im Jahr 2001 zu eskalieren, als eine US-Spionagemaschine vor der Inselprovinz Hainan mit einem chinesischen Jagdflugzeug zusammenstieß und abstürzte. Der damals neu gewählte US-Präsident George W. Bush musste seine erste diplomatische Krise bewältigen, doch als eigentlicher Knackpunkt bei den Beziehungen zwischen den beiden Ländern gilt das Jahr 2010.
Am Ende der Ära Hu Jintao begann China erstmals, das Ost- und Südchinesische Meer als "Kerninteresse" zu deklarieren, was in den Anrainerstaaten als aggressive Expansionsbemühung wahrgenommen wurde. Nahezu zeitgleich veröffentlichte Präsident Barack Obama seine neue Pazifikstrategie, wonach die USA ihre Präsenz im asiatisch-pazifischen Raum sowohl wirtschaftlich wie auch militärisch massiv verstärken würden. China empfindet dies als strategische Einkreisung und trägt seine schärfsten Territorialkonflikte folgerichtig mit den engsten Verbündeten Washingtons aus: den Philippinen und Japan.
Doch längst werden die Klingen auch auf direkter Ebene gekreuzt - zumindest im virtuellen Raum. 2009 verkündeten die US-Streitkräfte die Einrichtung eines Cyberkommandos, 2010 zogen die Chinesen mit einer "Informations-Sicherheitsbasis" nach. Seitdem liefern sich die beiden Länder einen Cyberkrieg, dessen Ausmaß durch die Enthüllungen von Edward Snowden zumindest auf US-Seite immer deutlicher wird. Demnach soll eine geheime Einheit innerhalb der NSA namens TAO (Office of Tailored Access Operations) China seit bereits fast 15 Jahren erfolgreich ausspionieren. Im Gegenzug macht der US-Kongress die in Shanghai ansässige Einheit 61398 der Volksbefreiungsarmee für Hackerangriffe auf mindestens 141 US-Unternehmen seit 2006 verantwortlich. Erwogen werden nun Handelsbeschränkungen, Einreiseverbote für Organisationen mit Hackerkontakten und eine Bankensperre für Firmen, die im Internet gestohlenes geistiges Eigentum verwenden.
Kindliche Mordphantasien
Wie angespannt die Beziehungen zwischen den beiden Blöcken mittlerweile sind, zeigen nicht nur Schiffsbewegungen im Südchinesischen Meer, Rüstungspläne asiatischer Länder und Handelskonflikte über Zölle und Währungsstreitigkeiten, sondern auch vermeintlich harmlose Scherze. Vor kurzem fragte der US-Komiker Jimmy Kimmel in seiner Show einen Sechsjährigen, wie die USA mit ihren Schulden gegenüber China umgehen sollen, immerhin 1,3 Billionen US-Dollar. Der antwortete fröhlich: "Alle Chinesen töten", und löste damit neben Protesten chinesischstämmiger Amerikaner eine veritable diplomatische Krise aus. Einige US-Restaurants in Peking mussten währenddessen sogar ihre Thanksgiving-Dinner absagen - ihre chinesische Belegschaft hatte aus Protest gekündigt.