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Theater grenzt Migranten aus

Von Stefan Beig

Politik

Anders als bei Tanz und Film sind Migranten im Theater noch selten.


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Wien. Ein Spiegel der Gesellschaft soll das Theater sein. In gewisser Hinsicht ist es das auch zurzeit im deutschsprachigen Raum: Rassismus und Ausgrenzung von Migranten sind zumindest insofern sehr augenscheinlich, als türkische, exjugoslawische, arabische oder schwarze Darsteller kaum präsent sind. Die Ausgrenzung geschieht auch im Theaterbetrieb selbst. Wie sich daran etwas ändern könnte, war Gegenstand einer teils emotionalen Diskussion, die Montagabend die erfolgreiche postmigrantische Theaterreihe "Pimp my Integration" beendete.

"Ganz besonders stört es mich, wenn Intendanten, die nichts gemacht haben, sagen: Es gibt keine Migranten, die gut genug sind", erzählte die türkisch-stämmige Schauspielerin Zeynep Buyrac. "Es war mir nicht jederzeit bewusst, wie stark die Ausgrenzung speziell beim Sprechtheater ist", gab Harald Posch zu. Extrem überrascht habe ihn das Unverständnis auf Seite der Verantwortlichen in vielen Theater-Betrieben. Der Intendant der Garage X war einer der vier Kuratoren von "Pimp my Integration", die durch eine Vielzahl erfolgreicher Produktionen und Diskussionen zum Laboratorium des post-migrantischen Theaters wurde.

Dass es an jungen Talenten nicht fehlt, zeigt sich beim Film, wo sich aufstrebende Stars mit internationalem Hintergrund tummeln. Anders auf den Theaterbühnen. Auf institutioneller Ebene, bei den Entscheidungsträgern, müsse sich im Theater etwas ändern, befanden die Diskussionteilnehmer. "Ich befürworte die Quote vor allem in Leitungsstrukturen", bekannte Posch.

Dem pflichtete der Theaterregisseur und Autor Nurkan Erpulat bei: "Demokratie ist nicht selbstverständlich. Sie muss immer wieder gefordert werden." Ohne Quote werde sich nicht viel ändern. "Seit 50 Jahren gibt es Migration in Deutschland, aber erst seit 2005 gibt es eine interkulturelle Öffnung in den Theater-Institutionen. Beschlossen wurde das aber von der Regierung. Kein Theater hat vorher etwas gemacht. Ihr müsst Euch zwingen." Erpulat ist Autor des erfolgreichen Theaterstücks "Verrücktes Blut", das auch im Rahmen von "Pimp my Integration" aufgeführt wurde. Er lebt erst seit zwölf Jahren in Deutschland, wohin er mit 25 Jahren aus der Türkei gereist ist.

Quoten - aber wie?

Unklar blieb freilich, welche Kriterien bei der Quote ausschlaggebend sein sollten, schließlich gehe es ja um sozial-ökonomisch an den Rand gedrängte Gruppen. Der Terminus "Migrationshintergrund" scheint das nicht wirklich festzuhalten. Nicht frei von inneren Widersprüchen sei die Forderung nach positiver Diskriminierung, befand Michael Wimmer vom Kultur-Institut Educult. Sie könne unterschiedlich interpretiert werden - im Sinne eines Bekenntnisses ("Wir sind anders und wollen anders behandelt werden") und im Sinne einer Zuschreibung ("Ihr seid anders").

Hier bestünden zwei Wünsche. Zum einen: "Wir wollen so behandelt werden wie alle anderen." Zum anderen: "Wir wollen temporär eine besondere Berücksichtigung durch positive Diskriminierung." Eigentlich wolle sie zunächst keine Quoten-Türkin sein, räumte Zeynep Buyrac ein. Allein wegen ihres Namens sei sie permanent auf ihre Herkunft angesprochen worden. Mittlerweile sei es ihr aber egal.

Eigentlich, so betonte Wimmer, gehe es "schlicht und einfach um ein attraktives Programm, das alle gesellschaftlichen Widersprüche sichtbar macht. Diversität muss sichtbar und zur Normalität werden." Versäumnisse der Wiener Theaterszene ortete Wimmer auch in anderer Hinsicht: Sie habe sich lange Zeit nicht um das Publikum gekümmert. "Es ist einfach gekommen. Aber wer sitzt im dunklen Zuschauerraum?"

Mit der Aufführung von kurzweiligen Stücken wie "Verrücktes Blut", in dem eine Lehrerin in einer "multi-kulturellen" Klasse die Beherrschung verliert und zur Waffe greift, hat "Pimp my Integration" die Problematiken auch auf die Bühne gebracht. "Es ging uns um das Post-Migrantische, nicht um Post-Migranten. Wir leben in einer post-migrantischen Gesellschaft", betonte die Kuratorin und Leiterin von daskunst Carolin Vikoler.

"Mich nervt die ganze Debatte schon", sagte der arabisch-stämmige Schauspieler Khaled Sharaf El Din zur "Wiener Zeitung". Er war in "Verrücktes Blut" zu sehen. Es müsse Selbstkritik auf allen Seiten geben: "Jeder soll auf sich selber schauen. Wir, die Ausländer, wir müssen uns auch zusammenreißen und können nicht nur das Opfer spielen."