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Mouff: Religiöser Fundamentalismus Folge neoliberaler Globalisierung. | Neue politische Kategorien jenseits von Links und Rechts notwendig. | Alpbach. Keine Politik ohne Konflikte - und keine demokratische Politik ohne Kompromisse. Wie aber lassen sich Kompromisse schließen, wenn es um Fragen von gut und böse, richtig oder falsch geht?
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Kein Wunder, dass viele Beobachter angesichts der weltweiten Renaissance religiös fundierter Politik das westliche Demokratiemodell mit seiner Trennung von Staat und Glaube in ärgster Bedrängnis sehen. Immerhin ist das Erstarken religiöser Fundamentalisten kein exklusives Phänomen der islamischen Welt. Man denke nur an den Einfluss christlicher Fundamentalisten in den USA oder Polen. "Säkulare Demokratie - Theologisierung der Politik?" lautete denn auch ein Thema bei den Alpbacher Politischen Gesprächen am Montag.
Die französische Soziologin Chantal Mouff sieht in der Theologisierung der Politik eine "extrem gefährliche und beunruhigende Situation" - und die tiefere Ursache dafür in der Globalisierung unter neoliberalen Vorzeichen. Diese internationalen Rahmenbedingungen hätten, so Mouff, in der Innenpolitik zum Verschwinden der Unterschiede zwischen Mitte-links und Mitte-rechts geführt. Ersatz für die überkommenen Kategorien findet die Politik in der moralischen Aufladung ihrer Argumente.
Religiöser Widerstand gegen Globalisierung
Auf internationaler Ebene fehlt es laut Mouff nach dem Zusammenbruch des Kommunismus an legitimen Alternativen zum neoliberalen Globalisierungsmodell. Auch hier kanalisiere sich der Widerstand in religiösen Bahnen, deren radikalste der Terrororganisation Al Kaida sei. Den Ausweg aus diesem Dilemma sieht die linke französische Soziologin in der Etablierung neuer Kategorien für die politische Auseinandersetzung, die Kompromisse zulassen. Dass dies kein Zurück zu den leeren Formeln von Links und Rechts sein könne, ist für Mouff jedoch klar. Wie diese allerdings aussehen könnten, blieb offen.
Konkreter - und zwar am Beispiel der Türkei - wurde Aydin Findikci von der Universität München. Für den geborenen Türken arbeitet die in Istanbul regierende islamische Gerechtigkeits-Partei AKP an der systematischen Aushöhlung der säkularen Traditionen des Landes. Die EU dürfe dies nicht hinnehmen und sollte "die so genannten Beitrittsverhandlungen sofort abbrechen".
Etwas distanzierter der Zugang von Emil Brix vom Wiener Außenministerium: Er warnte davor, die Trennung von Staat und Kirche zu sehr auf die Spitze zu treiben. Das Tragen eines Kopftuches sei nicht zwangsläufig immer ein politisches Statement.
Die Politischen Gespräche unter dem Motto "Suche nach Gewissheit und Sicherheit" wurden Sonntag von EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner eröffnet und dauern noch bis Mittwoch. Am Montag warb Außenministerin Ursula Plassnik für mehr Geduld mit der Europäischen Union. Diese sei, entgegen allen Unkenrufen, ein globaler Player, der seiner internationalen Verantwortung wie etwa jetzt in Nahost sehr wohl nachkomme.