Neue Anlagen schaffen kaum neue Nachfrage. | Zu Martini eröffnet St. Martins Therme im Seewinkel. | Wien. Unter den heimischen Thermen herrscht ein beinharter Wettbewerb. Dies hält Betreiber aber offensichtlich nicht davon ab, weiter auf das Geschäft mit Erholungsuchenden zu setzen: Pünktlich zu Martini, am 11. November, wird im Burgenland ein weiterer Wellness-Tempel eröffnet: In die St. Martins Therme & Lodge wurden insgesamt rund 83 Mio. Euro investiert, wie Vamed-Generaldirektor Ernst Wastler am Donnerstag sagte. Die Vamed ist der größte Thermenbetreiber im Land und derzeit an sechs Standorten aktiv, darunter Wien Oberlaa. Mit der neuesten Anlage wolle man ein "Musterkonzept für die Therme der nächsten Generation" liefern. Die Ziele für den Standort im Seewinkel sind ehrgeizig: Jährlich 300.000 Tages- sowie 70.000 Hotelgäste will man anlocken.
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Insgesamt wächst die Zahl der Thermen-Gäste in Österreich zwar (siehe Grafik), doch die Kapazitäten sind durch Neueröffnungen und Zubauten in den letzten Jahren um etwa das Doppelte gestiegen, sagt Andreas Kreutzer von Kreutzer Fischer & Partner. "Abzüglich der 2008 wegen Sanierung geschlossenen Häuser wurden Kapazitäten für rund 400.000 Tagesgäste geschaffen. Dabei kamen vergangenes Jahr nur knapp 200.000 Besucher mehr", so der Marktforscher. Fazit: Die neu eröffneten Häuser schaffen nur zum Teil neue Nachfrage - und knabbern kräftig am Gästepotenzial der bestehenden Anlagen.
Eng wird es vor allem für die meisten steirischen Thermen: Genau wie sie will das neue Resort im Seewinkel vor allem im Gästepool in und rund um Wien fischen. Auch die im August 2008 eröffnete Asia Therme in Linsberg/Niederösterreich buhlt in diesem Einzugsgebiet massiv um Kunden. Ebenso wie die Konkurrenz in der Buckligen Welt setzt die St. Martins Therme vor allem auf gut Situierte, die ohne Kinder in die Therme kommen.
Angebot austauschbar
Und mit dieser Fokussierung hat das neue Resort beste Chancen, meint Kreutzer. Denn Spezialisierung ist seiner Ansicht nach das Gebot der Stunde - doch genau daran krankt es in den steirischen Gesundheitstempeln, sagt Kreutzer. Um die Gästezahlen hoch zu halten, hätten sich viele Thermen für alle Kundengruppen geöffnet. Gut betuchte Gäste, die Exklusivität und Ruhe suchen, und kinderreiche Familien sind jedoch kaum unter einen Hut zu bringen.
Fazit: Die sogenannte Premiumzielgruppe blieb aus und suchte lieber in Hotels mit eigenen Wellness-Anlagen Erholung.
Außerdem mangle es in der Steiermark an Markenstrategien, kritisiert der Experte. "Für Thermen ebenso wie Thermenhotels gelten bis jetzt Architektur und Standort als Marke. Für die Servicequalität dagegen haben wir überhaupt keine Qualitätsstandards." Dadurch werde das Angebot der Thermen austauschbar. "Schließlich heißen die Massagen überall gleich. Und wenn ich mich nicht gut behandelt fühle, komme ich einfach nicht wieder", so Kreutzer. Und last, but not least: Als Einzelkämpfer werden die steirischen Thermen nicht weiterkommen, sagt Kreutzer. Ähnlich wie die Skischaukel mehrerer Liftbetreiber sollten sich die Anlagen zu einem "Thermen-Land" zusammenschließen, das ein gemeinsames Eintrittsticket und gemeinsame Infrastruktur bietet.