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Tibet: "Keine Woche ohne Verhaftungen"

Von WZ Online

Politik

Genf/Wien. Die chinesischen Behörden können die Lage in Tibet offenbar nur mit drakonischen Maßnahmen unter Kontrolle halten. China gehe "gnadenlos gegen jeden Dissens" vor, sagte der in Genf ansässige Europa-Gesandte des Dalai Lama, Kelsang Gyaltsen, in einem E-Mail-Interview mit der Austria Presse Agentur.


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"Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass wir von neuen Verhaftungen in Tibet hören oder von Tibetern, denen schwere Strafen auferlegt wurden für ihre friedlichen Proteste." So sei Ende September ein Tibeter zu vier Jahren Haft verurteilt worden, weil er einen gesuchten Tibeter versteckt haben soll.

Diese Einschüchterungs- und Unterdrückungspolitik verstärke nur die tiefsitzenden Ressentiments der Tibeter, betonte Gyaltsen. "In weiten Teilen Tibets ist die Lage sehr angespannt und das Land deshalb nicht zugänglich für Touristen, Journalisten und internationale Beobachter." Gyaltsen schloss eine Neuauflage der blutigen Unruhen vom März 2008 nicht aus, fügte aber hinzu, dass die Präsenz von Sicherheitskräften derzeit so massiv sei, "dass es kaum Möglichkeiten für öffentliche Proteste gebe".

Gyaltsen bekräftigte das Eintreten des geistlichen Oberhaupts der Tibeter für eine Autonomie innerhalb Chinas, warnte aber zugleich vor einem möglichen Stimmungswandel innerhalb des tibetischen Volkes. "Noch befürwortet eine große Mehrheit der Tibeter im Exil als auch in Tibet den Mittleren Weg des Dalai Lama". Sollte sich aber in Zukunft eine Mehrheit der Tibeter für einen anderen politischen Kurs entscheiden, "so habe ich keinen Zweifel daran, dass der Dalai Lama diese Entscheidung akzeptieren wird". Allerdings komme für den Dalai Lama eine Aufgabe der Gewaltlosigkeit im Freiheitskampf nicht infrage.

In den seit 2002 laufenden Kontakten zwischen der tibetischen Exil-Regierung und Peking habe es bisher keine Fortschritte gegeben, weil es bei der gegenwärtigen chinesischen Führung an entsprechendem politischen Willen mangle. Er hoffe aber, dass die im Jahr 2012 zu wählenden neuen chinesische Führer "den Mut, die Klugheit und die notwendige Vision haben werden, auf die Versöhnungsbemühungen des Dalai Lamas positiv einzugehen". Schließlich werde "eine echte Autonomie" für das tibetische Volk auch "entscheidend zur Stabilität und Einheit der Volksrepublik China beitragen", betonte Gyaltsen.