Stromproduktion greift auf Kohle zurück. | Brandrodung und Methangas als Problem. | Kopenhagen/Wien. Stockende Verhandlungen und dann in die Verlängerung: Was ist, wenn die Weltgemeinschaft kein befriedigendes Abkommen zur Reduzierung der Treibhausgase und keine Klimabeihilfen für Entwicklungsländer zu Stande bringt? Experten sind einig, dass dann die Temperaturen dann einiges mehr steigen werden als "nur" um die angepeilten zwei Grad - und dass gewisse Schlüsselbereiche und Länder in Zukunft ein besonders großes Risiko darstellen werden. | Sturm auf Obamas Pressekonferenz | Schlaflos in Kopenhagen für einen Kompromiss | Der Süden erhält mehr Macht
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Kopenhagen/Wien. Stockende Verhandlungen und dann in die Verlängerung: Beim Weltklimagipfel in Kopenhagen zeichnete sich am späten Freitagabend zwar ein Abkommen ab, die die Erderwärmung auf zwei Grad beschränken soll. Jedoch kam die Weltgemeinschaft auf keine rechtlich verbindlichen Klima-Ziele überein. Einigkeit herrscht jedoch darüber, dass gewisse Schlüsselbereiche und Länder künftig ein besonders großes Risiko für das Weltklima darstellen werden.
"Eines der größten Probleme ist die Energieversorgung", betont Hildegard Aichberger vom World Wildlife Fund Österreich (WWF). Damit meint sie nicht allein die fossilen Energieträger, sondern auch die Stromproduktion. Die E-Wirtschaft setze zunehmend auf die Verbrennung von (CO2-ausstoßender und billigerer) Kohle statt auf Gas - seit 1990 sei der Anteil um zehn bis 20 Prozent gestiegen. "Wir werden es nicht in absehbarer Zeit schaffen, den wachsenden Energiebedarf, den vor allem die Industrie verantwortet, durch erneuerbare Energien zu ersetzen", sagt Aichberger.
Die WWF-Chefin warnt auch vor umweltgefährdenden Produktionsverfahren, für die Alternativen gefunden werden müssen. Als tickende Zeitbombe erweist sich dabei die Stahlindustrie. "Von den 88 Millionen Tonnen an CO2-Äquivalenten, die Österreich jährlich ausstößt, fallen elf Millionen alleine auf die Voest Alpine", sagt Erwin Mayer vom Wiener Umweltberatungsunternehmen Denkstatt.
Lager unter der Erde
Zwar seien Elektro-Verfahren zur Stahlproduktion bereits im Einsatz. Jedoch liefere nur das integrierte Hochofenverfahren zur Gewinnung von frischem Stahl prozessbedingten Kohlenstoff, der für die Herstellung nötig sei, argumentieren die Stahlproduzenten. Und würde man Biomasse statt Kohlenstoff einsetzen, müsste ganz Österreich abgeholzt werden allein für einen Konzern von der Größe der Voest, erklärt Mayer.
Was also tun mit den Emissionen? Als "Lösung" erwägen Stahlhersteller die so genannte "Carbon Capture in Storage", bei der Treibhausgase in den Tiefen der Erde, in Meeresregionen oder in Salzbergwerken eingeschlossen werden. "Damit verhält es sich so wie mit Atommüllagern. Niemand kennt die Folgen genau", hebt Hannes Höller von der Nichtregierungsorganisation Klimabündnis Österreich hervor. Es könne zu undichten Stellen kommen oder zu plötzlichem CO2-Ausstoß. Abgesehen davon sei ungeklärt, wem die eingeschlossenen Treibhausgase gehören sollen.
Den stärksten Anstieg an Emissionen verzeichne der Verkehr. Allerdings stünde hier mit Elektroautos wenigstens eine Lösung vor der Tür, sagt Aichberger vom WWF. Nicht so beim Flugverkehr. Dieser trage zwar nur zwei bis fünf Prozent an den Gesamt-Emissionen, sei aber ein "Wachstumsbereich". Zudem würden Flug-Emissionen doppelt zählen, weil sie weiter oben in der Atmosphäre ausgestoßen werden.
Auch bei den Ländern gibt es Verlagerungen. China, der ehemalige Arbeiter- und Bauernstaat, ist mittlerweile zur 1,3 Milliarden Einwohner zählenden Industrienation mit enormem Konsumhunger geworden. Die Wirtschaft hetzt dabei mit Wachstumsraten von rund zehn Prozent in Richtung Zukunft. Die USA als ehemals größten Treibhausgasemittenten hat man 2008 hinter sich gelassen. Der jährliche Pro-Kopf-CO2-Ausstoß liegt im Reich der Mitte allerdings erst bei 4,58 Tonnen, die USA kommen hier hingegen auf 19,1 Tonnen. Allzu lange wird dieser Abstand aber wohl nicht erhalten bleiben.
Die größte Gefahr droht vor allem durch den zunehmenden Wohlstand im Riesenreich. Im Schwerindustriesektor werden Zuwächse zwar weiterhin stattfinden, im Vergleich zum privaten Sektor werden diese aber gering ausfallen. So gab es laut "New York Times" im Jahr 2000 sechs Millionen Autos, sechs Jahre später waren es bereits 20 Millionen. Doch selbst diese Zahl bedeutet immer noch eine Rate von 65 Einwohnern pro Auto, während es die USA mit insgesamt 255 Millionen Wägen auf eine Rate von 1,2 Personen pro Pkw bringen.
Energischer Aufstieg
Auch in Indien hat eine energisch aufsteigende Mittelschicht nebst dem allgemeinen Wirtschaftswachstum für einen sprunghaften Anstieg der CO2-Emissionen gesorgt. Das 1,1 Milliarden Einwohner zählende Land ist der fünftgrößte Treibhausgas-Emittent. Selbst wenn Indien von einem tieferen Niveau als China gestartet hat, könnten die Zuwachsraten hier bald ähnlich hoch sein.
Nicht nur das teilweise rasante Wirtschaftswachstum drängt die Schwellenländer immer mehr in die Rolle der Klimasünder der Zukunft. Auch die ungebremste Abholzung von Urwäldern verschlechtert die CO2-Bilanz auch kleinerer Länder. So geht mit jedem verlorenen Quadratkilometer Regenwald nicht nur dessen Fähigkeit zur Kohlendioxid-Speicherung verloren. Die durch C02-intensive Brandrodung gewonnenen Flächen werden meist als Weidefläche Methangas produzierender Kühe genutzt. Ende 2007 hatte die UN-Ernährungsorganisation FAO ausgerechnet, dass Rinder weltweit mehr Treibhausgas produzieren als Autos.