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Tief, aber professionell

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
© WZ

So tief können sich die Parteien nicht nach unten ziehen, dass nicht stets noch Strategie dabei ist.


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Offensichtlich zielt die höchste Kunst der Politik mittlerweile darauf ab, jede Bürgerin und jeden Bürger zur Parteinahme zu zwingen. Ob diese wollen oder nicht: Nur ja niemanden kalt, niemanden emotional unberührt lassen. Keine Haltung zu den täglich öffentlich ausgebreiteten Gereiztheiten und Anschuldigungen haben zu können, ist ein Luxus, den die Politik den Bürgern nicht mehr zugesteht.

Man kann das getrost als Zumutung betrachten, als Bedrängung, und zwar von allen Seiten. Immerhin ist es ein letzter Hinweis, dass es den Parteien doch noch nicht völlig gleichgültig ist, was die Menschen sich denken, wenn sie an Politik denken. Zuletzt gab es in dieser Hinsicht Grund für solchen Zweifel. Wer Polit-Talks mit mehr als zwei Teilnehmern verfolgt, versteht, was gemeint ist.

Dahinter steckt selbstredend Kalkül. So tief können sich die Parteien gegenseitig gar nicht nach unten ziehen, dass nicht stets noch Strategie mit im Spiel ist. Dafür sorgen Kohorten von Beratern, die wenn schon keine sonstigen, dann doch wenigstens die eigenen professionellen Standards hochhalten.

Die Strategie aller Beteiligten zielt darauf ab, die Wähler der jeweils anderen Seite zu frustrieren und die eigenen Anhänger maximal zu motivieren. Das geht dann auf, wenn am nächsten Wahltag, der spätestens Ende September in Oberösterreich ansteht, "die anderen" zu Hause bleiben und "die eigenen" an die Urne pilgern. Die ÖVP betreibt das mit der Behauptung, dass sich "alle gegen Sebastian Kurz" verschworen hätten, man aber trotzdem "die normalen Menschen" an seiner Seite wisse, die Konkurrenz mit der Unterstellung, dass "die türkise ÖVP" ein grundsätzlicheres Problem mit Justiz, Medien und Wahrheit habe.

Demokratische Politik, üppig mit Steuergeld ausgestattet, als Mittel zum ultimativen Zweck, die demokratische Teilhabe der Bürger nach unten zu optimieren - das muss man sich auch erst einmal auf der Zunge zergehen lassen.

Und die inhaltlichen Vorwürfe, von der behaupteten Bestechlichkeit beim Finanzminister bis zur unterstellten Falschaussage beim Bundeskanzler? Irgendwann - zu befürchten ist: eher später als früher - wird die Justiz all die offenen Fragen abgearbeitet haben; ob mittels Einstellung der Ermittlungen oder Anklageerhebungen samt Schuld- oder Freisprüchen, wird sich zeigen.

Mit Entschuldigungen oder Schuldbekenntnissen der politischen Lager ist auch dann nicht zu rechnen. Die Justiz hat ihr Mandat auf das letzte, endgültige Wort längst verloren. Jeder hat längst seine Meinung, und von dieser wird sich auch niemand mehr abbringen lassen. Dafür sorgt die Politik.