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Bei einem Selbstmordanschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria sind 23 Menschen gestorben, 100 wurden verletzt, und es ist ein trauriges Weihnachtsfest unter massivem Polizeischutz, das die christliche Minderheit am heutigen Freitag begeht.
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Nachdem die ägyptische Regierung die Tat zunächst ausländischen Al-Kaida-Mitgliedern angelastet hat, stellt sich nun heraus, dass der Anschlag offenbar von heimischen Islamisten begangen wurde. Die Spur führt zu Salafisten, ägyptischen ultrakonservativen Muslimen, die seit langem gegen Kopten mobilmachen und zumindest teilweise von der Al Kaida inspiriert sind. Da die Salafisten im Gegensatz zu den Muslimbrüdern keine politischen Ambitionen haben, wurden sie von der ägyptischen Regierung stillschweigend geduldet.
Der Anschlag von Alexandria ist jedenfalls ein weiteres Indiz dafür, dass Al Kaida und andere islamistische Terrorgruppen christliche Minderheiten als neues Ziel identifiziert haben - wohl deswegen, weil diese ziemlich wehrlose Opfer darstellen. Zumindest kursieren seit einiger Zeit Internet-Aufrufe der Al Kaida, in denen zum "Heiligen Krieg" gegen ägyptische Christen aufgerufen wird. Im Netz findet sich auch eine "Jihad-Enzyklopädie zur Zerstörung des Kreuzes", die eine detaillierte zehnteilige Anleitung zum Bombenbau enthielt.
Den islamistischen Fanatikern kommt dabei entgegen, dass das Misstrauen der Religionen in Ägypten tief verwurzelt ist. Rund zehn Prozent der 80 Millionen Ägypter sind Kopten, und Vorurteile sind auf beiden Seiten tief verankert. In den Armenvierteln Kairos etwa geht der Irrglaube um, Christen würden "stinken, obskuren sexuellen Praktiken frönen und in ihren Kirchen Waffen horten", wie ein muslimischer Ägypter auf Facebook schreibt. Das erinnert frappant an Ausformungen des christlichen Antisemitismus, wie er noch im 19. Jahrhundert auch in Österreich gepflogen wurde. Damals war von Hostien-schändenden Juden die Rede, die angeblich Christen-Babys töten. Auf der Grundlage ähnlich abstruser Annahmen gewinnen jetzt jene Islamisten an Zulauf, die allwöchentlich anti-christliche Proteste in Ägypten abhalten.
Ein Signal in die falsche Richtung haben auch jene muslimischen Würdenträger gesetzt, die in Pakistan vor Trauerbekundungen für einen getöteten Politiker warnen, der wegen seiner religiösen Toleranz ermordet wurde. Wer Gotteslästerungen unterstütze, mache sich der Blasphemie schuldig und sei mit dem Tod zu bestrafen, heißt es in einer Erklärung, die von hunderten Geistlichen unterschrieben wurde - die eigentlich als Taliban-Gegner und liberal galten.