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Tief zerstrittene Bündnispartner

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

US-Militärchef wirft | Pakistan Verstrickung in | afghanischen Terror vor. | Alliierte bleiben aufeinander angewiesen.


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Islamabad. Ihre Warnung war scharf: "Ihr werdet einen Verbündeten verlieren", drohte Pakistans Außenministerin Hina Rabbani Khar unverhohlen der einzigen wirklichen Weltmacht. Wenn Amerika Pakistan gegen sich aufbringen wolle, dann werde es den Preis dafür zahlen müssen.

Pakistans Top-Diplomatin reagierte mit ihren harschen Worten auf eine bittere Tirade von US-Admiral Mike Mullen gegen ihr Land. Der Chef des amerikanischen Militärs hatte den mächtigen Geheimdienst des Landes offen beschuldigt, enge Verbindungen mit dem Haqqani-Netzwerk zu pflegen, das als gefährlichste und effektivste Terror-Gruppe in Afghanistan gegen den Westen kämpft.

Seit Tagen leisten sich Pakistan und die USA einen verbalen Stellungskrieg, der den bisherigen Tiefpunkt der beiden Alliierten markiert. Selbst als Al-Kaida-Chef Osama bin Laden auf pakistanischem Boden von einem US-Kommando getötet wurde, war der Ton zwischen den beiden Ländern versöhnlicher. Der tiefere Grund für die Eskalation in den letzten Wochen heißt Afghanistan: Hier häufen sich in den letzten Monaten die Anschläge auf US- und Nato-Ziele. Auch der Mord an Ex-Präsident Burhanuddin Rabbani, der Friedensverhandlungen zwischen Regierung und Taliban führen sollte, gilt als Rückschlag für den Westen bei der Stabilisierung des Landes, auch wenn Afghanistans Präsident Hamid Karzai beim Rabbani-Begräbnis am Freitag versprach, am Kurs der Aussöhnung mit den Taliban festzuhalten. Die Nato will 2014 ihre Kampftruppen vom Hindukusch abziehen und bemüht sich die Weichen für eine Nachkriegsordnung in Afghanistan zu stellen. Pakistan will hier ein gehöriges Wort mitsprechen, denn es sieht das Nachbarland traditionell als sein Einflussgebiet.

US-Admiral Mullen hatte Pakistan offen beschuldigt, über seinen Militärgeheimdienst ISI und die Haqqani-Terrorgruppe vor knapp zwei Wochen einen Anschlag auf die US-Botschaft und das Nato-Hauptquartier verübt zu haben. Auch ein Attentat auf das Luxushotel "Intercontinental" Ende Juni und einen Bombenanschlag auf ein US-Militärlager im September lastete Mullen indirekt Pakistan an. Es ist die wohl klarste Behauptung der USA, das pakistanische Militär toleriere nicht allein Terrorgruppen, sondern nutze sie auch als Mittel für ihre Zwecke, um US-Interessen in Afghanistan zu hintertreiben. Pakistan wies die Anklage energisch zurück: Verteidigungsminister Ahmed Mukhtar verneinte scharf, dass der ISI die islamistischen Kämpfer von Sirajuddin Haqqani irgendwie unterstütze und forderte Beweise für die Anschuldigungen.

Trotz der ungewöhnlich bitteren Töne und Drohungen, ein kompletter Abbruch der Beziehungen ist nicht zu erwarten. Pakistan und die USA bleiben eng aufeinander angewiesen. Amerika braucht Pakistan als Transitland für 80 Prozent seiner Nachschublieferungen an die Truppen in Afghanistan. Und es nutzt pakistanische Militärbasen für seinen Anti-Terrorkrieg mit unbemannten Flugzeugen.

Pakistan hingegen hängt wirtschaftlich am Tropf Amerikas: Ohne US-Hilfsgelder wäre das Land längst pleite. Doch in Washington werden die Forderungen lauter, die Gelder der USA an die Erfolge Pakistans im Anti-Terrorkampf zu knüpfen. Die USA warnen die Nuklearmacht Pakistan davor, sich in politische Isolation zu begeben, wie es schon einmal in den 90er Jahren der Fall war.