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Tiefe Risse, neue Abhängigkeiten in den USA

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Liu Kuhn

Politik
© Wolfgang Liu Kuhn

Der deutsche Ex-Minister für Wirtschaft und Verteidigung, Karl Theodor Guttenberg, war Gast bei den Millstätter Wirtschaftsgesprächen. Die "Wiener Zeitung" bat ihn vor das Mikrofon.


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Mit 47 Jahren ist Karl Theodor zu Guttenberg, der einstige Star der deutschen Innenpolitik, einerseits ein Veteran der politischen Arena - sein Image als Berufsjugendlicher pflegt der Franke mit österreichischen Wurzeln jedoch umso mehr. An seinen Handgelenken baumeln modische Armbänder, die Bühne betritt er zu den Klängen von AC/DC, den Tag beginnt er mit einem Wasserski-Ritt über den 11 Grad kühlen Millstätter See. Zumindest das Wetter ist Karl Theodor zu Guttenberg und den Gästen der Millstätter Wirtschaftsgesprächen gewogen, welche in diesem Jahr in die dritte Runde gehen und im Vergleich zu den Vorjahren noch einmal gewachsen sind. Unter der Regie der Wiener Agentur GPK beschäftigte sich die diesjährige Ausgabe mit den nicht-ökonomischen Grundlagen der Wirtschaft, geladen waren dazu Sprecher aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen. Auf dem Podium saßen neben dem selbst ernannten Investment-Punk Gerald Hörhan unter anderem Infineon-Chefin Sabine Herlitschka, Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier, Museums-Chefin Sabine Haag sowie der frühere AK-Präsident Rudolf Kaske mit Ex-Nationalbank Präsident Claus Raidl.

Das größte Interesse galt offensichtlich dem Gast aus Deutschland, wie man dem Publikumszuspruch entnehmen konnte. Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" ging er auf die Kernthemen seiner Rede noch einmal ein.

Wiener Zeitung: Sie leben als Vorsitzender einer Investmentfirma vorwiegend in den USA. Wie erleben Sie den Riss, der sich seit der Wahl von Donald Trump durch das Land zieht?

Karl Theodor zu Guttenberg: Ich erlebe beides - Entsetzen und Begeisterung gegenüber diesem Präsidenten, was sich in vielen Handlungsweisen der Politik äußert. Am emotionalsten wird momentan vermutlich die Einwanderungspolitik debattiert. Ich denke, die Hälfte der Bevölkerung ist sehr abgestoßen von dieser Herangehensweise, die sich am Rande der Menschenverachtung bewegt, Familien auseinanderreißt und Mauern eine Renaissance beschert. Mit ebensolcher Emphase treibt die Gegenseite ihre Argumentation voran, was zeigt, wie zerrissen die Stimmungslage bei diesem hochemotionalen Thema ist. Das setzt sich in der Frage Gesundheitspolitik fort. Unter Obama verfolgte man den Ansatz, sich den europäischen Standards anzunähern, was durch die neue Administration regelrecht pulverisiert worden ist. Man hat das Land im Grunde in die gesundheitspolitische Steinzeit zurückgeworfen - was trotz allem von vielen goutiert wird, weil sie sich nicht bevormunden lassen wollen.

Zur Zeit sind rund 33.000 US-Soldaten in Deutschland stationiert. Präsident Trump betont, dass Deutschland nicht genug für seine Sicherheit bezahle. Würden Sie ihm zustimmen?

Donald Trump erhebt eine Forderung, die nicht originär von ihm stammt. Schon die vorherige Administration hat uns ins Stammbuch geschrieben, dass unsere Militärausgaben nicht im Verhältnis zu unserer Wirtschaftskraft stehen. Da haben diese Regierung und auch deren Vorgänger durchaus einen Punkt. Wir müssen sehr darauf achten, dass wir durch unser Verhalten nicht den Grundzusammenhalt dieser Allianz gefährden. Ich halte aber auch nichts von einer starren Zahl, die an das Bruttoinlandsprodukt gekoppelt ist, weil es hier Probleme mit den Vergleichbarkeiten gibt. Griechenland erreicht natürlich komplett andere Prozentsätze als wir in Deutschland. Das muss man als Ganzes betrachten, denn es geht hier nicht nur um militärisches Engagement. Das Ziel sollte eine Koppelung der Bemühungen sein, die man militärisch, diplomatisch und auch in der Entwicklungshilfe leistet, um letzendes tatsächlich einen Beitrag zur nachhaltigen Stabilität zu leisten.

Sicherheitspolitische Akzente werden von Russland genau beobachtet. Ein energiepolitisches Projekt wie Nord Stream 2 wird dadurch nach wie vor kontrovers diskutiert.

Es ist schon wichtig, dass man sich nicht in eine zu hohe Abhängigkeit gegenüber Russland begibt. Das muss im Umkehrschluss nicht heißen, alle Banden mit Russland zu kappen. Ich glaube, dass man die Interessen amerikanischer Energielieferungen berücksichtigen kann, wenn man Häfen und Terminals für Flüssiggas schafft, die parallel zu den Energielieferungen aus dem Osten ihre Berechtigungen haben. Beides sollte nicht exklusiv sein und mit so viel Sensibilität behandelt wer-den, dass man nicht zusätzliche politische Spannungen erzeugt. Momentan ist der Prozess jedoch relativ festgefahren.

China setzt als immer stärkerer Player neue Akzente wie etwa die Seidenstraßen-Initiative, wodurch neue Abhängigkeiten entstehen können. Wie sollte Europa damit umgehen?

Es klingt vielleicht banal, aber zunächst sollte man sich darum bemühen, endlich mit einer Stimme zu sprechen. Das wird jedoch zunehmend schwieriger, wenn man Länder hat, die in dieser Fragestellung unkoordiniert ausscheren. Hier muss in allen Bereichen von der Wirtschaft bis zur Bevölkerung sehr klar abgesteckt sein, wo eine engere Kooperation mit China Sinn machen kann. Das heißt wiederum nicht, alle Beziehungen einzustellen. Es ist nur in unserem Grundinteresse, genau zu beobachten, welche Optionen sich für eine prosperierende Wirtschaft und für unsere künftige Ausrichtung gegenüber dem Osten ergeben. Hier geht es schließlich auch um das Beibehalten des weiterhin größten Wirtschaftsraumes, nämlich des sogenannten Westens beziehungsweise des transatlantischen Wirtschaftsraumes. Europa ist prinzipiell in der guten Position, alle diese Ebenen bedienen zu können. Man muss es nur machen. Deswegen halte ich auch nichts von vorauseilender Selbstaufgabe. Im Grunde ist Kreativität gefragt - Zusammenarbeit ist möglich, aber sie kann nur im Zusammenwirken aller Kräfte stattfinden und nicht durch Einzelakteure, die in ihre eigene Einbahnstraße fahren.

Die Rolle Österreichs in der EU-Ratspräsidentschaft beurteilen Sie positiv?

Es war schon überraschend, wie sich Bundeskanzler Sebastian Kurz die Mühe gemacht hat, festsitzende Strukturprobleme in Europa anzusprechen. Ich nehme da beispielsweise die Frage, ob es Sinn macht, in großen Fragen immer noch am Einstimmigkeitsprinzip festzuhalten. Solche Debatten müssen einfach geführt werden, und hier hat Kurz gerade in der Außen- und Sicherheitspolitik Akzente gesetzt. Auch in der Frage des Brexits hat er die richtige Strategie gewählt - angesichts der vorherrschenden Panik hätte man ja auch einknicken können. Das wurde klug gehandhabt, was viele so nicht erwartet haben. Es hat mir auch gefallen, dass man ad hoc in der Lage war, nicht nur zu reagieren, sondern auch Aktionskraft zu zeigen. Größere Nationen, die manchmal vor lauter Kraft kaum laufen können, haben das ebenfalls wahrgenommen.

Sie sind in der CSU groß geworden. Inwiefern hat das Diktum von Franz Joseph Strauß noch seine Berechtigung, wonach es rechts von der CSU keine demokratisch legitimierte Partei geben darf?

Es hat schon einen Erschöpfungsgrad erreicht angesichts der Realitäten, denen wir heute ausgesetzt sind. Ich glaube, wir müssen in Deutschland realisieren, dass sich die AFD mittlerweile relativ stabil im zweistelligen Bereich befindet - und ich sehe das nicht gerne, weil ich ein erklärter Gegner ihrer Parolen bin. Hier muss es schrittweise zu einer Entzauberung zu kommen, was in meinen Augen auch nicht unmöglich ist.

Wurde die Amtsübergabe von Angela Merkel zu Annegret Kramp-Karrenbauer richtig gehandhabt?

Ich glaube schon, dass es insgesamt ein kluger Schritt war, denn immerhin gab es erstmalig seit längerer Zeit einen geordneten Übergang. Normalerweise wird ein Amtsinhaber davongejagt und darf sich in anderer Form eine glückliche Zukunft suchen. Der erste Schritt ist gemacht, man wird sehen müssen, wie tragfähig das ist. Dazu fehlt mir allerdings die prophetische Gabe.

Wird ein Karl Theodor zu Guttenberg in der politischen Zukunft Deutschlands eine Rolle spielen?

Das sehe ich nicht.