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Tiefe Töne mit hohem Effekt

Von Frank Ufen

Wissen
Elefanten können mit Infraschalltönen über Kilometer hinweg kommunizieren.
© Martin Harvey/corbis

Die Auswirkungen von als unhörbar geltenden Infraschallwellen sind noch ein weithin unerforschtes Gebiet.


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Hamburg. Menschen, heißt es, sind außerstande, Frequenzen unterhalb von etwa 16 bis 20 Hertz - das heißt Infraschallwellen - wahrzunehmen. Doch jetzt ist ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Physikers Christian Koch (Physikalisch-Technische Bundesanstalt in Braunschweig) zu der Erkenntnis gelangt, dass Menschen eine ganze Oktave tiefer hören können, als man bislang angenommen hat. Die Wissenschafter haben in ihrem Experiment eine Infraschallquelle eingesetzt, die keine Obertöne erzeugt. So hat man verhindert, dass sich die extrem niedrigen Frequenzen durch diese Obertöne verraten könnten.

Erregung des Kortex

Diesem Infraschall wurde eine Reihe von Versuchspersonen ausgesetzt, und sie wurden danach befragt, was sie dabei subjektiv empfinden würden. Gleichzeitig wurde mit Hilfe der Magnetoencephalographie und der funktionellen Kernspintomographie analysiert, was in den Gehirnen der Probanden vor sich ging. Das aufschlussreiche Ergebnis: Schon bei einer Frequenz von 8 Hertz war eindeutig eine Erregung des primären auditiven Kortex zu erkennen. Außerdem zeigte sich eine erhöhte Aktivität in dem für Emotionen zuständigen Gehirnregionen. Die Versuchspersonen selbst konnten allerdings wenig darüber sagen, was sie gehört hatten, und sie gaben oft an, sich beunruhigt gefühlt zu haben. "Das heißt, der Mensch nimmt dann eher diffus wahr, dass da irgendwas ist und dass das auch eine Gefahr bedeuten könnte", erklärt Christian Koch.

Geräusche und Töne im Infraschallbereich entstehen ständig auf der Erde. Infraschallwellen können nicht nur von Erdbeben, Vulkanausbrüchen, zerberstenden Meteoriten, startenden Raketen, explodierenden Atombomben oder Bewegungen der Erdplatten hervorgerufen werden. Sie können auch von der Meeresbrandung, Wasserfällen, Stürmen oder Gewittern ausgelöst werden, und selbst der Föhn in den Alpen erzeugt Geräusche im Frequenzbereich von 0,01 bis 0,1 Hertz. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Bauwerke, Geräte und Maschinen, die tieffrequente Geräusche hervorbringen. Hierzu gehören beispielsweise Tunnel, Brücken oder Hochhäuser, Flugzeuge, Schiffe, Lokomotiven oder Lkw, Stromgeneratoren, Pumpen, Waschmaschinen Heizungen und nicht zuletzt Windkraftanlagen.

In der Tierwelt spielen extrem niedrige Frequenzen keine große Rolle, denn die meisten Tierarten sind für sie völlig taub. Doch Elefanten sind nicht nur in der Lage, Geräusche virtuos nachzuahmen. Sie sind außerdem imstande, Infraschalltöne wahrzunehmen und selbst zu erzeugen, um einander Botschaften über Distanzen von bis zu vier Kilometer zu übermitteln. Und die Blauwale senden Infraschallsignale aus, mit denen sie sich mit ihren Artgenossen über hunderte von Kilometern hinweg verständigen können. Die Blauwalgesänge sind nicht nur extrem tief. Mit einer Lautstärke, die mehr als 180 Dezibel erreichen kann, sind sie auch lauter als alles, was in der Tierwelt an Tönen und Geräuschen produziert wird.

Streit um Windräder

Es ist nach wie vor umstritten, ob der von Windenergieanlagen abgestrahlte Infraschall sich schädlich auf den menschlichen Organismus oder die menschliche Psyche auswirken könnte. Immer wieder klagen Leute, die in unmittelbarer Nähe von Windrädern wohnen, über Schlaflosigkeit, Übelkeit, Schlappheit, Atemnot, Herzrasen, Schwindelgefühle, Gleichgewichtsstörungen, Tinnitus und etliche andere Beschwerden. Es gibt auch Mediziner, die der Auffassung sind, dass der von Windrädern verursachte tieffrequente Lärm zu einem gefährlichen Anstieg des Blutdrucks, zu Veränderungen der Hirnströme, zur Vergrößerung der roten Blutkörperchen oder zu Nystagmus (unkontrollierte thymische Bewegungen der Organe) führen könnte.

Doch solchen Klagen und Befürchtungen wird immer wieder entgegengehalten, dass der von Windenergieanlagen erzeugte Infraschall viel zu schwach sei, um größere Schäden anrichten zu können. Tatsächlich haben die neuesten Messungen der Bayerischen Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz ergeben, dass herkömmliche Windenergieanlagen in ihrem Nahbereich bloß zwischen 55 bis und 80 Dezibel (G) laute Infraschallgeräusche erzeugen. Sind die Anlagen abgeschaltet, entstehen allein durch Windströme Schalldruckpegel zwischen 50 bis 75 Dezibel (G).

Dieser Schalldruckpegel entspricht ziemlich genau dem vom Straßenverkehr verursachten. Die bisher durchgeführten einschlägigen Experimente und Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass bis zu 150 Dezibel lauter Infraschall harmlos ist, wenn man ihm nur kurzzeitig ausgesetzt ist - und dass bei ununterbrochener Beschallung erst Werte von deutlich über 100 Dezibel als gefährlich einzustufen sind.

Schalldruck und Vibration

Allerdings kann für Menschen unhörbarer Infraschall durchaus gespürt werden, wenn der Schalldruck hoch genug ist und der Körper stark in Vibration versetzt wird. So muss der Schalldruck bei einer Frequenz von 3 Hertz bei mindestens 120 Dezibel liegen.

Im Jahre 2003 hat der britische Psychologe Richard Wiseman ein ungewöhnliches Experiment durchgeführt. In einem Londoner Konzertsaal spielte er 700 Versuchspersonen Musikstücke vor, von denen die Hälfte mit einem 90 Dezibel lauten Sinuston von 17 Hertz unterlegt war. Bei der anschließenden Befragung der Probanden kam zutage, dass der 17-Hertz-Ton bei etlichen von ihnen Beklemmung, Unruhe, Ängste und depressive Gefühle ausgelöst hatte. Christian Koch und seine Mitarbeiter wollen nun detailliert erforschen, welche physischen und psychischen Auswirkungen sowohl die als unhörbar geltenden extrem tiefen als auch die extrem hohen Frequenzen haben. "Im Grunde stehen wir erst am Anfang. Weitere Forschung ist dringend notwendig", erklärt Koch.