)
Die Ärztekammer will die "Knebelungsversuche" durch Regierung und Sozialpartner abwenden. Wie genau, das hat sie bisher noch nicht deutlich gemacht. Ärztekammerpräsident Walter Dorner will mit "großer Besonnenheit" reagieren, aber den Systembruch, dass künftig die Krankenkassen mit einzelnen Ärzten Verträge abschließen können, will er nicht hinnehmen: "Wir werden die notwendigen Mittel finden, die wir brauchen."
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Vorerst kündigte Dorner einmal eine Informationsveranstaltung der Ärzte für 27. Mai im Wiener Austria Center an, am darauffolgenden Tag wird die Österreichische Ärztekammer (ÖÄRK) in einer außerordentlichen Sitzung beraten und noch im Mai oder zu Beginn der Euro Anfang Juni die Unterschriften vom Wiener Patientenbegehren (bisher 156.000) Bundeskanzler Alfred Gusenbauer übergeben. Eine große Ärztedemonstration soll schon am 3. Juni stattfinden.
Wenn man so wolle, sei das Patientenbegehren schon eine Kampfmaßnahme - "ein legitimes Vorgehen gegen eine Übervorteilung Dritter", sagt Dorner. Von einem Streik will man in der ÖÄRK aber nicht reden, schließlich seien Ärzte Unternehmer und könnten höchstens aussperren, aber "wir sperren keine Patienten aus."
Der Groll bei den Ärztevertretern ist groß. Dorner sieht denn auch den Gesetzesentwurf "von genetischen Ärztehassern entwickelt". Das Verhältnis zwischen dem Chirurgen Dorner und der Anästhesistin Kdolsky ist schwer zerrüttet. Es gibt keinerlei informellen Kontakt zwischen den beiden - vor allem seit die Regierung im Oktober/November des Vorjahres plante, Gesundheitszentren als GmbH zuzulassen. Damals drohte die Ärztekammer mit Streik.
Größter Kritikpunkt der Ärzteschaft: Man nehme so den Medizinern das Heft aus der Hand. Es wurde befürchtet, dass Unternehmer (Optiker) solche Zentren gründen. Dieses Projekt ruht derzeit. Die Gesprächsbasis ist dahin.
Was die Standesvertreter ganz besonders ärgert ist, dass man sie, die wichtigsten Partner im Gesundheitsbereich, in die Verhandlungen zur Kassensanierung überhaupt nicht eingebunden hat. Der Grund sei eben, dass "Ärztehasser" am Werk seien. Vor allem an der Wirtschaftskammer, die ihren Machtbereich zuungunsten der Gewerkschaft im Hauptverband und den Kassen ausbaut, wirft Dorner Machtdünkel vor. Man versteht auch nicht, warum sich die Gewerkschaft so über den Tisch habe ziehen lassen. Die bisherige Allianz zwischen Ärztekammer und Gewerkschaft ist also auch dahin.
Aber vor allem die Regierung muss sich die Kritik der Ärztevertreter gefallen lassen. "Eine starke Regierung würde der Wirtschaftskammer nie diese Macht zubilligen, Gesetze auszuarbeiten", sagt Dorner. Und tatsächlich haben die Sozialpartner, die ihren Vorschlag zur Reform vor einem Monat der Regierung übergeben haben, den Gesetzesvorschlag federführend ausgearbeitet und darüber gewacht, dass ja keine Änderungen mehr einfließen.
Moniert wird, dass den Kassen unter Schwarz-Blau-Orange Millionen zur Erfüllung des Nulldefizits entzogen worden sind. Hätten die Kassen die vorher geltende Finanzierungsgrundlage, gäbe es auch kein Finanzierungsproblem, argumentiert die Ärztekammer, die nicht versteht, warum die Gewerkschaft hier tatenlos zusieht. Die Wirtschaftskammer wollte mit allen Mitteln versuchen, Beitragserhöhungen zu vermeiden, so Dorner. Und das sei ihr gelungen - zu Lasten der Patienten, die sich nun auf eine Staatsmedizin einzustellen hätten.
Der niedergelassene Bereich werde ausgehungert, die Patienten würden stärker in die Ambulanzen strömen, was das System verteuere, anstatt es kostengünstiger zu machen. Außerdem, so befürchten die Mediziner, werde die Zwei-Klassen-Medizin verschärft. Denn ohne Gesamtvertrag würde es eben nur noch weniger Vertragsärzte geben und diejenigen, die es sich leisten könnten, würden dann eben einen Wahlarzt aufsuchen.
Man kann den Argumenten der Ärzte einiges abgewinnen. Allerdings stellt sich doch die Frage, warum sie sich nicht schon früher mit konkreten Vorschlägen bemerkbar gemacht haben. Alleine auf eine unendliche Geldvermehrung im System zu pochen, ist zu wenig.
Die ersten Schritte zu einer Finanzierung aus einer Hand sind mit dem Gesetz jedenfalls getan. Dass die Finanzierung aus einer Hand die sinnvollste Form ist, wird von Gesundheitsökonomen seit Jahren gepredigt.
Alleine, dahin ist es noch ein steiniger Weg, sind doch dafür auch die Länder mit ins Boot zu holen. Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer hat bereits jetzt vorsorglich seine Solidarität mit der Ärztekritik deutlich gemacht - im Wissen, dass auch die Länder den Strauß mit der Regierung (oder den Sozialpartnern, falls diese vielleicht weiterhin für die Regierung diese Auseinandersetzung führen sollten) noch auszufechten haben.
Ein Punkt in dem Sozialpartnervorschlag, der noch nicht umgesetzt ist, weil er die Zustimmung der Länder braucht, ist das Einfrieren des Sozialversicherungszuschusses an die Spitäler, die zum Großteil von den Ländern finanziert werden.
Derzeit lehnen sich die Länder jedenfalls noch entspannt zurück, gilt doch der derzeitige Finanzausgleich, in dem auch die Spitalsfinanzierung geregelt ist, noch bis 2013. Und bis dahin können die Landesfürsten in ihren Landeskrankenanstalten noch Posten und Pöstchen verteilen.
Der derzeitige Gesetzesvorschlag bringt zwar einige wichtige Klärungen: klarere Strukturen, eine wirkliche Qualitätskontrolle der Ärzte. Er ist aber nur ein erster Schritt auf dem weiten Weg zu einer Gesamtreform unseres Gesundheitssystems.
Alle früheren Beiträge dieser Rubrik unter: www.wienerzeitung.at/ analyse
analyse@wienerzeitung.at