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Tiefrote Zahlen bei "Presse" und ORF

Von Freddie Kräftner

Analysen

Der Styria-Konzern verbrennt gutes Geld und der ORF verliert immer mehr Seher - nicht primär an die Privaten, sondern an die beiden deutschen Qualitätssender ARD und ZDF.


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Die Drehtür dreht sich immer schneller: Schon wieder hat die im Eigentum des Styria-Konzern befindliche "Presse" einen weiteren Geschäftsführer. Der bisherige Prokurist Rainer Präsoll, ein früherer Assistent von Styria-Vorstandschef Horst Pirker, unterstützt nun Reinhold Gmeinbauer und den kürzlich auch in das Gremium berufenen Chefredeakteur Michael Fleischhacker.

Über ein halbes Dutzend Geschäftsführer hat das Traditionsblatt in sehr kurzer Zeit verbraucht. Kontinuität - das war früher. Pirker selbst kam und ging. Kam wieder, um sich dann erneut zu verabschieden - ein Jörg Haider der Medienbranche.

Weniger sprunghaft ist freilich die Geschäftsentwicklung. Tendenz kontinuierlich fallend. Die Eigenkapitalquote sank von 21,36 Prozentpunkten im Bilanzjahr 2003 auf magere 7,08 im Jahr 2004. Grund dafür ist ein Bilanzverlust 2004 von 2,381 Millionen Euro. Dramatisch auch die Entwicklung des Cash flow: Nach positiven 420.000 Euro (2002) und gar 1,085 Millionen (2003) gab es 2004 ein Minus von 1,12 Millionen.

An der Bilanz für 2005 wird noch gearbeitet: Budgetiert war ein Verlust von rund 4,5 Millionen - der tatsächliche Abgang wird wohl darüber liegen, das Eigenkapital jedenfalls verbraucht.

Für die Styria ist das (noch) verkraftbar. Die Cashcow "Kleine Zeitung" erwirtschaftet jährlich einen Gewinn zwischen 10,1 (2002) und 11,5 (2004) Millionen. Da kann man sich die "Presse", das nicht ganz billige Engagement bei "Wirtschaftsblatt" und die Expansion in Kroatien schon leisten. Zumal es keinen Druck des Eigentümers gibt.

Durch eine Stiftungskonstruktion mit angehängter AG hat die früher so wichtige Diözese Graz-Seckau operativ nichts zu sagen, wurde durch Pirker clever de facto enteignet - Bischof Egon Kapellari kann als Protektor der Stiftung auch Boulevardeskapaden in Kroatien nicht wirklich verhindern. Weltanschauliches Feigenblatt im früher katholischen Verlag bleibt allein die "Furche".

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Tiefrot sind - der interessierten Öffentlichkeit bekannt - seit Jahren auch die Marktanteilsbilanzen des ORF, was zwangsläufig auch zu einer Reduktion der Werbetarife führen musste. In Haushalten mit Kabel- oder Sat-Anschluss verbrachten die Österreicher 2002 noch 47,7 Prozent ihrer Fernsehzeit mit ORF 1 und ORF 2. 2005 waren es nur mehr 43,4 Prozent. 2,1 Prozentpunkte gingen allein im letzten Jahr verloren.

Interessant ist eine Analyse der Detailzahlen: Der ORF verlor zuletzt nicht primär an die großen deutschen Privatsender, auch nicht an neue Angebote (primär Trashprogramme mit nächtlichen Telefonquizspielen) - nein: Die heimischen Seher flüchten verstärkt zu ARD und ZDF, den beiden wirklich öffentlich-rechtlichen Programmen aus Deutschland, die zum Beispiel auch noch qualitätsvolle Dokumentationen im Hauptabendprogramm anbieten.

Das war sicher nicht die Intention des Weisenrats, der für das neue ORF-Gesetz Pate stand. Gerd Bacher, Alfred Payrleitner, Fritz Cskolich und Heinrich Keller gelten ja als ausgewiesene Befürworter von öffentlich-rechtlichem Rundfunk.

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Neues von der Job-Börse, für alle jene, die sich für die kommende Tageszeitung von Wolfgang und Uschi Fellner interessieren: Boulevard-Urgestein Wolfgang Höllrigl (unter anderem früher bei "Kurier" und "Vera") wird demnächst als Chronik-Chef bekannt gegeben, der grenzgeniale Pointen-Schleuderer Dieter Chmelar heuert als Kolumnist an.

medienboerse@wienerzeitung.at