Eine Sonderausstellung auf Schloss Ambras Innsbruck zeigt die Menagerien und Volieren der Habsburger Höfe. Veronika Sandbichler, die Direktorin des Schlosses, erklärt die Bedeutung dieser Ausstellung.
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Ein lebender Elefant als Spielzeug? Wenn es sich beim Beschenkten um einen Prinzen handelt, erscheint das standesgemäß. Und so wird Mitte des 16. Jahrhunderts ein junger Elefant mit dem späteren Namen Süleyman, der über den Seeweg von Ceylon zum portugiesischen Königshof gelangte, in Begleitung von zwei Treibern zu Fuß von Lissabon nach Nordspanien geschickt, um den kränklichen Enkelsohn des Königspaares, Prinz Carlos von Spanien, zu erfreuen.
Das großzügige Geschenk ist leider in der Haltung teuer und für den einsamen Prinzen doch nicht der ideale Spielgefährte, weshalb Süleyman bald eine neue Besitzerin bekommt: Maria von Spanien und Österreich, Tochter Karls V. und Gemahlin von Kaiser Maximilian II., Erzherzog zu Österreich und später Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.
Exotische Prozession
Da das hochherrschaftliche Paar vorrangig in Wien lebt, wird Süleyman erneut auf die Reise geschickt: Zuerst mit dem Schiff von Barcelona nach Genua, von dort muss der Elefant in Begleitung seiner indischen Mahouts zu Fuß über Mailand, Trient, Bozen, Brixen und den Brennerpass bis nach Innsbruck. Nun wird Süleyman nach Wasserburg verschifft und weiter mit einem Donauschiff Richtung Osten transportiert. Sein neues Zuhause bekommt er schließlich etwas außerhalb von Wien, im Schloss Kaiserebersdorf, wo Maximilian II. eine große Menagerie unterhält.
Man kann sich kaum vorstellen, welch großes Aufsehen die exotische Prozession - ein wahrer Triumphzug - damals verursachte. Ein Wirtshaus in Brixen, wo Station gemacht wurde, heißt heute noch "Zum Elefanten". Vermutlich fielen Süleymans "Spezialschuhe", die er zum Schutz seiner Sohlen und Ballen auf dem langen Weg trug, nicht einmal besonders auf, denn die meisten Menschen hatten noch nie einen Elefanten zu Gesicht bekommen und waren dementsprechend fasziniert.
So war Süleyman auch ein wandelnder Werbeträger für den Kaiser, der, wie andere Fürsten seiner Zeit, seine Besitztümer u.a. durch exotische Tiere erweiterte, die in Europa wie Wunderwesen bestaunt wurden. Auch exotische Pflanzen und Objekte aus Elfenbein, Rhinozeroshorn oder Federn waren bei den reichen Sammlern begehrt und wurden auf vielen Gemälden dieser Zeit festgehalten.
Auf Schloss Ambras, das dem Museumsverband des Kunsthistorischen Museums Wien angehört, befasst sich die Sonderausstellung "Echt tierisch! Die Menagerie des Fürsten" mit der repräsentativen Tierwelt an den Habsburger Höfen. Das Augenmerk gilt dabei einer "Menagerie à trois", nämlich den höfischen Tierhaltungen von Kaiser Maximilian II. mit Zentrum Wien, von dessen Bruder Erzherzog Ferdinand II. mit Zentrum Innsbruck und von Kaiser Rudolph II. mit Zentrum Prag. Dabei werden kostbare Kunstkammerstücke, Gemälde, Zeichnungen, Kupferstiche und Naturalien gezeigt und damit verbundene Geschichten erzählt wie die des indischen Elefanten Süleyman.
Kunstvolle Objekte
Unter den Ausstellungsstücken finden sich außergewöhnliche Tierstudien von Albrecht Dürer, Giambologna, Georg Hoefnagel, Roelant Savery und Veronese. Auch überraschende Raritäten wie Federbilder und Käfer- bzw. Schmetterlingsflügelbilder aus dem 16. Jahrhundert sind zu sehen.
Kuratiert wurde die Ausstellung von Annemarie Jordan Gschwend, Thomas Kuster, Katharina Seidl und der Direktorin von Schloss Ambras, Veronika Sandbichler. Die 1967 geborene Kunsthistorikerin gibt im Gespräch Auskunft über die historischen Voraussetzungen und die wissenschaftlich-künstlerischen Folgen der hochadeligen Tierliebe.
"Wiener Zeitung":Die große Nachfrage auf den europäischen Fürstenhöfen nach Exotika hatte während der Renaissance, dieser ersten "Globalisierungswelle", einen regen Handel zur Folge. Wo waren damals die Haupt-Umschlagplätze für exotische Tiere, Pflanzen und Produkte?Veronika Sandbichler: Einer der wichtigsten war der portugiesische Königshof, da die Portugiesen viele asiatische, insbesondere indische Gebiete in Besitz hatten und Exotika zu den Tributzahlungen für den König gehörten. Die Habsburgerin Katharina von Österreich, Königin von Portugal, bestimmte gemeinsam mit Hans von Khevenhüller den Markt. Dieser hielt sich als Botschafter von Kaiser Maximilian II. und später auch von Kaiser Rudolf II. viel in Lissabon auf und inspizierte die dort eintreffenden Schiffe auf der Suche nach kostbaren Raritäten für die europäischen Fürstenhöfe - für die Medici in Florenz, die bayrischen Herzöge und natürlich für die über ganz Europa verstreute Dynastie der Habsburger.
Welche Tiere rangierten an den Fürstenhöfen in der Beliebtheitsskala ganz oben?
Das waren neben den verschiedenen Nutztieren, die als Lieferanten für Fleisch, Milch und Wolle wichtig waren, vor allem exotische Säugetiere. Man sieht auf den Gemälden der Sonderausstellung sogar den inzwischen längst ausgestorbenen, aus Mauritius stammenden Laufvogel Dodo, was bedeutet, dass er an den Habsburger Höfen gehalten wurde. Die Stars aber waren Elefanten und Rhinozerosse, schon allein aufgrund ihrer beeindruckenden Größe. Löwen und Affen waren ebenfalls sehr beliebt. Und natürlich farbenprächtige exotische Vögel für die großen Volieren.
Verwendete man damals schon den Begriff "Exotika"?
Nein, abgeleitet von Indien verwendete man für alles, was exotisch war, den Überbegriff "indianisch" - egal, ob es aus Indien, Mexiko oder Afrika stammte.
Waren die Sammler-Fürsten hauptsächlich aus Repräsentationsgründen an Exotika interessiert?
Ja, aber es steckte auch Forschungsinteresse dahinter. Die Kunstkammern waren nicht nur Orte, an denen die Sammlungsobjekte aufbewahrt wurden, sondern ebenso Orte der Wissenschaft. Die Sammler wollten auch die Begeisterung für die Antike zum Ausdruck bringen, sie bezogen sich oftmals auf die Naturforschung von Plinius und Aristoteles. Rudolf II. ließ von seinen Hofmalern ein wunderbares, von seinen Hofkünstlern gemaltes Kompendium anlegen, das exotische Tiere zeigt. Es gab auch beeindruckende Exponate, die Natur und Kunst verbinden, indem man die Natur zum Artefakt erhöhte. Rhinozeroshörner wurden zum Beispiel mit kostbaren Goldschmiedearbeiten verziert und damit zu besonders wertvollen Sammlerstücken. Genau dafür wurden in der Renaissance die Kunst- und Wunderkammern errichtet, von denen nur mehr die von Erzherzog Ferdinand II. begründete am ursprünglichen Ort auf Schloss Ambras erhalten geblieben ist.
Der Hauptgrund, Exotika zu sammeln, war natürlich neben der Verwendung tierischer Heil- und Potenzmittel die Repräsentation. Man wollte zeigen, dass man sich solch kostbare Raritäten leisten und - im Fall exotischer Tiere - diese auch erhalten konnte. Die Kunst- und Wunderkammern eines Fürsten sollten die ganze Welt widerspiegeln. Damit konnten sich die Sammler als Schöpfer dieser Welten fühlen. Maximilian II. wies Khevenhüller wie folgt an: ". . . alles, was fremd, zu handen zu bringen, zu kaufen und mir zu überschicken." Im Innsbrucker Hofgarten gab es damals ein Meerschweinchen-Stübchen, zwei Affenhäuser und ein Löwengehege.
Wusste man die exotischen Tiere immer richtig zu behandeln?
Gewiss nicht. Viele verendeten auf den langen Transportwegen und oft haperte es an den Höfen bei der Hege und Pflege, weil man zu wenig über die Tiere wusste. Ein Rhinozeros am Hof Rudolfs II. starb kurz nach der Ankunft und man konnte nicht einmal die Haut retten, denn man hatte keine Ahnung, wie man sie konserviert. Es blieben nur das Horn und ein paar Knochen übrig, die in die Kunstkammer gelangten.
Da tat man sich mit den obligaten fürstlichen Schoßhündchen gewiss leichter?
Das waren vor allem Zwergspanielrassen, die vermutlich über China und Portugal an den Spanischen Hof gelangten. Sie wurden meistens mit Fütterungsanleitung verschenkt oder verkauft. Der portugiesische Hof gab die Empfehlung, sie mit Fleisch und gerösteten Maroni zu füttern.
Gibt es bei der Sonderausstellung auch eine Brücke zur Gegenwart?
Ja, das ist uns auf Schloss Ambras immer sehr wichtig und diesmal spannen wir eine besonders schöne Brücke zur Gegenwart in Form von zeitgenössischer Kunst. Ergänzend zur Sonderausstellung gibt es in der Bauernrüstkammer Werke des 1963 geborenen portugiesischen Künstlers Miguel Branco zu sehen, der Tiermale-reien aus dem 16. Jahrhundert auf faszinierende Art neu interpretiert.
Sonderausstellung Schloss Ambras Innsbruck: "Echt Tierisch! Die Menagerie des Fürsten". Die Schau ist noch bis 4. 10. 2015 zu sehen, und zwar täglich von 10:00 bis 17:00 Uhr. Mehr Informationen finden Sie unter: info@schlossambras-innsbruck.at - und: www.schlossambras-innsbruck.at Irene Prugger, geboren 1959 in Hall in Tirol, lebt als Romanautorin und freie Journalistin in Mils. Vor kurzem ist ihr neuestes Buch erschienen, das ausführlich vom Arbeits- und Lebensalltag auf der Vorarlberger Alp erzählt: "Vorarlberger Alpgeschichten",Löwenzahn Verlag, Innsbruck, 240 Seiten, 17,95 Euro.