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Tierschutz als humanitäre Hilfe

Von Heli Dungler

Gastkommentare
Heli Dungler ist Präsident der Tierschutzorganisation von Vier Pfoten sowie ausgebildeter Krisen- und Katastrophen-Manager.

Warum es für die Menschen in den Flutgebieten am Balkan wichtig ist, dass man nicht nur ihnen selbst hilft, sondern auch ihren Tieren.


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Auch wenn die Bevölkerung im serbischen Obrenovac vor einigen Tagen erstmals wieder ohne offizielle Genehmigungen zurück in ihre Häuser und Bauernhöfe durfte, kann man noch lange nicht von einer zurückgekehrten Normalität nach der schrecklichen Flut am Balkan sprechen. Viele Familien stehen vor dem Nichts, ihre Wohnstätten sind völlig zerstört. Zwar gibt es mittlerweile wieder Strom, und die Kanalisation funktioniert teilweise wieder, die Trinkwasserversorgung ist aber noch immer nicht hergestellt.

In dieser Situation, in der einige Hilfsorganisationen großartige humanitäre Hilfe geleistet haben, wurde auch Vier Pfoten schon früh von Serbiens Regierung offiziell um Hilfe gebeten.

Die Gründe, auch Tierschutzorganisationen in der Katastrophenhilfe einzusetzen, liegen auf der Hand: Zum einen stellen Nutztiere die Existenzgrundlage eines großen Teils der Bevölkerung dar. Nach der verheerenden Flut hatten viele Menschen aber keine Mittel mehr, ihre Tiere zu versorgen. Hunderte Personen haben bereits um Futterrationen für ihre Tiere angesucht, der Ansturm auf unsere Futterausgabestelle ist ungebrochen. Unser Logistik-Team hat bisher mehr als 150 Tonnen Futter in den gesperrten Gebieten bereitgestellt. Aufgrund der großen Menschenmenge hilft die lokale Polizei, einen geregelten Zugang sicherzustellen. Bei der Verständigung helfen serbische Volontäre.

Zum anderen gilt es, durch eine großflächige Impfaktion Seuchen zu verhindern, die die angespannte Situation noch zusätzlich verschärfen würden. Immer noch sind einige Gebiete überflutet - entsprechend hoch ist die Seuchengefahr. Darum ist unser Nothilfeteam auch gefordert, kranke Tiere in einer mobilen Klinik zu versorgen. Viele haben verunreinigtes Wasser getrunken und leiden an hoch ansteckenden Durchfallerkrankungen.

Die Hilfe für die Tiere dient auch den Menschen - auch wenn selbstverständlich keine Existenzfragen damit verbunden sind. Hier kommt vielmehr die psychologische Komponente ins Spiel. Wir machen immer die Erfahrung, dass Menschen in der Situation einer Evakuierung sich nicht von ihren Heimtieren trennen wollen. Diese, wie jetzt auch in Serbien, zurücklassen zu müssen, ist oft ein traumatisches Erlebnis. Wenn ihnen dann unser Team, das in Obrenovac als einzige Tierschutzorganisation in der evakuierten Zone zugelassen war, etwa ihren Hund zurückbringt, ist es für sie ein Moment des Glücks in dieser schweren Zeit. Und wir sehen uns wieder ein Stück weit bestätigt in unserer Überzeugung, dass Tierschutz auch immer humanitäre Hilfe ist - und es keinen Sinn hat, menschliches Leid gegen Tierleid aufzurechnen oder gar gegeneinander auszuspielen.

Vier Pfoten leistet seit Jahren aktive Katastrophenhilfe für Tiere und war bereits in verschiedenen Notstandsgebieten im Einsatz, wie zum Beispiel beim Tsunami in Sri Lanka, bei der Dürrekatastrophe in Samburu/Kenia, bei den Flutkatastrophen in Pakistan oder auf den Philippinen nach dem Taifun "Haiyan". Die Hilfe ist schnell und direkt: Das Einsatzteam rettet und evakuiert Tiere, verarztet und impft, verteilt Futter und baut Notställe. Die internationale Tierschutzorganisation arbeitet eng mit lokalen Hilfsorganisationen zusammen und stellt allen Beteiligten ihr Fachwissen zur Verfügung.