Tierschützer wie Landwirte-Vertreter bewerten erstes Treffen zu Tierwohl positiv - Ergebnisse stehen allerdings noch aus.
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Konkrete Resultate sehen anders aus. Ein Auftakt aber dürfte es gewesen sein: Am Montag hatte Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), auch zuständig für Tierschutz-Agenden, zum "Tiertransport-Gipfel" ins Ministerium geladen. Mit dabei: Vertreter diverser Tierschutzorganisationen, aus Wirtschaft, Landwirtschaftskammer und Politik. Beim ersten Treffen in dieser Konstellation sprach man in erster Linie über Lebend-Tiertransporte, die Tierschützer seit langem als unverhältnismäßig qualvoll anprangern. Künftig sollen Gesprächsrunden zum Tierwohl einmal pro Quartal stattfinden. Welche Perspektiven aber fasste man zum Auftakt?
Quer durch Europa gekarrt
Man wolle zunehmend Alternativen zum Lebendtransport von Rindern in Staaten außerhalb der EU sowie zum Transport besonders junger Kälber auch innerhalb der Union finden, hieß es nach dem "Gipfel". Im Zuge von Zuchtprogrammen soll künftig statt lebender Rinder nur noch ihr tiefgekühltes Sperma versandt werden. In öffentlichen Kantinen und bei der Gemeinschaftsverpflegung - von Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und Altersheimen bis zum Bundesheer - soll zudem stärker auf Fleisch aus regionaler Produktion gesetzt werden. Rückenwind für all diese Pläne erhofft man sich im Ministerium nicht zuletzt von der EU-Ebene, wo in den kommenden Monaten ein Untersuchungsausschuss bisherige Praktiken europäischer Fleischproduktion - und damit bei Tiertransporten - ausführlich behandeln wir.
Das Problem an den gängigen Strukturen: Seit langen Jahren werden Rinder - in vielen Fällen junge Kälber - in Lkw lebend quer durch Europa gekarrt. Und das in sämtliche Richtungen. Einerseits exportiert Österreich in großer Zahl Kälber in andere EU-Länder, weil sie dort aufgrund niedrigerer Tierschutz-Standards billiger aufgezogen und gemästet werden können. 391.000 Rinder wurden laut Zahlen des Landwirtschaftsministeriums etwa im Jahr 2018 aus Österreich exportiert, davon 50.000 Kälber. Um Kosten zu reduzieren, werden die Kälber so früh wie möglich exportiert. 40 Prozent der ins Ausland transportierten Kälber sind daher jünger als 28 Tage.
Andererseits importiert Österreich nicht nur Fleisch, sondern auch lebende Rinder, um sie im Inland zu schlachten. 2018 wurden 224.000 Stück ausgeführt. Nicht selten werden so auch dieselben Rinder zur Schlachtung eingeführt, die einst als Kälber ausgeführt wurden. Die teure Mast wird so ins Ausland "ausgelagert", aus den Etiketten geht aber eine Schlachtung in Österreich hervor. Damit würde Konsumenten eine "österreichische Herkunft" suggeriert, tatsächlich fände die Aufzucht aber unter den weit niedrigeren Gesundheits- und Tierschutzstandards anderer Länder statt, an die ein Verbraucher beim Kauf sicher nicht denke, sagt Sebastian Bohrn Mena, Initiator des Tierschutzvolksbegehrens und beim Gipfel am Montag anwesend, zur "Wiener Zeitung".
Höhere EU-Standards gefordert
Prinzipiell gibt es in Österreich die selbst auferlegte Richtlinie, lebende Schlachtrinder nicht in Staaten außerhalb der EU zu exportieren. Das werde allerdings auf zwei Wegen regelmäßig umgangen, sagt Bohrn Mena: Erstens würden Rinder in EU-Länder wie Spanien oder Polen exportiert "und dann eben von dort nach Algerien, in die Türkei oder in den Iran gekarrt". Zweitens würden Tiere in Drittstaaten mitunter offiziell als "Zuchtrinder" exportiert - im Ankunftsland aber tatsächlich geschlachtet.
"Das System ist krank geworden", sagt auch Landwirtschaftskammer-Präsident Josef Moosbrugger, beim Montagsgipfel ebenfalls anwesend, zur "Wiener Zeitung". Kleine Familienbetriebe seien aber auf den Export in EU-Länder angewiesen: Vor dem EU-Beitritt wurden 90 Prozent des heimischen Kalbfleischbedarfs in Österreich produziert, heute sind es nur noch 35, sagt Moosbrugger. Denn aufgrund der hohen Standards in Österreich könne man mit den Preisen, zu denen etwa in den Niederlanden Fleisch produziert werde, nicht mehr mithalten. Moosbrugger fordert deshalb höhere gemeinsame Standards in der EU.
Die Gesprächsatmosphäre beim Gipfel beurteilen sowohl Bohrn Mena als auch Moosbrugger positiv. Einigkeit unter allen Anwesenden gab es darüber, dass es mit massenhaften Kälbertransporten so nicht mehr weitergehen könne. Für Bohrn Mena liegt der Schlüssel zu einer Verbesserung in drei Bereichen: Verpflichtende Herkunftskennzeichnung auch in Gastronomie und Handel; öffentliche Beschaffung nur noch aus Österreich; und höhere Förderung von klimafreundlicher Landwirtschaft.