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Timoschenko-Koalition vor dem Aus

Von Gerhard Lechner

Europaarchiv

Litwin-Block schert offenbar aus. | Unterstützt auch Juschtschenko-Partei Janukowitsch? | Kiew/Wien. Es war nicht "Litwins Zeit": Die ukrainischen Präsidentenwahlen am 17. Jänner waren für den Parlamentspräsidenten Wladimir Litwin - trotz intensiver Werbung mit obigem Slogan - danebengegangen: Mit mageren 2,35 Prozent landete der Mann mit der Fönfrisur unter der Wahrnehmungsschwelle. Seine kleine Fraktion, der "Block Litwin", sichert der Regierung von Ministerpräsidentin Julia Timoschenko im ukrainischen Parlament die Mehrheit.


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Noch - denn nun, im Tauziehen um die Macht in Kiew, könnte tatsächlich Litwins Zeit anbrechen: Der Parlamentspräsident kündigte an, "den Bestand" der jetzigen Koalition prüfen lassen zu wollen. "Wenn keine erforderlichen Unterlagen eingehen, werde ich mit tiefem Bedauern feststellen müssen, dass es keine Koalition gibt", wird Litwin in der Onlinezeitung "Ukrainskaja Prawda" zitiert. Es gilt in Kiew als offenes Geheimnis, dass der Parlamentschef zu einem fliegenden Wechsel ins Lager des neuen Präsidenten Wiktor Janukowitsch bereit wäre: Würde dieser nämlich Neuwahlen ausrufen, müssten Litwin und seine Abgeordneten befürchten, aus dem Parlament zu fliegen.

Furcht vor Neuwahlen

Damit wäre nicht nur das Ende der politischen Ambitionen des 53-Jährigen nahe - Litwin würde auch seine Immunität verlieren und damit im Fall des im Jahr 2000 ermordeten Journalisten Georgi Gongadse angreifbar werden. Der damalige Leiter der Präsidialadministration soll gemeinsam mit Ex-Präsident Leonid Kutschma in Gongadses Ermordung verwickelt sein.

Freilich fürchtet nicht nur der Litwin-Block Neuwahlen: Auch für die viel zahlreicheren Abgeordneten von "Unsere Ukraine", dem heterogenen Bündnis um Noch-Präsident Wiktor Juschtschenko, käme ein Wahlkampf zum jetzigen Zeitpunkt dem sicheren Verlust ihrer Mandate gleich. Laut Beobachtern sind die Anwerbeversuche des Janukowitsch-Lagers, dem die Stimmen des Litwin-Blocks allein zur Mehrheit nicht reichen würden, bereits weit gediehen: Nur noch zwei Abgeordnete, so heißt es, und die neue Koalition steht. Mit neuen Führungsfiguren - etwa dem Geschäftsmann Sergej Tigipko - als Premier an der Spitze könnte die bislang orange Truppe einen neuen Anstrich und eine weitere Chance bekommen.

Die Vereidigung Janukowitschs wird am Donnerstag stattfinden. Timoschenko hatte am Samstag ihre Beschwerde gegen das Wahlergebnis zurückgezogen und dem Gericht Parteilichkeit vorgeworfen.