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Timoschenko-Prozess in Kiew vor dem Ende

Von Gerhard Lechner

Europaarchiv

Hartes Urteil oder Bewährungsstrafe?


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Kiew. Der Prozess gegen die ukrainische Ex-Premierministerin Julia Timoschenko steht in Kiew offenbar kurz vor dem Abschluss. Beobachter schätzen, dass der umstrittene Richter Rodion Kirejew das Urteil möglicherweise noch am Freitag verkünden könnte. Timoschenko hatte zuvor noch einmal ihre Unschuld beteuert. Die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft, Gasverträge zum Nachteil der Ukraine geschlossen und dabei Amtsmissbrauch betrieben zu haben, seien haltlos.

Wie das Urteil ausfallen wird, darüber wird in Kiew zurzeit heftig gerätselt. Im schlimmsten Fall drohen der Kontrahentin von Präsident Wiktor Janukowitsch mehrere Jahre Haft. "Entweder es kommt zu einem wirklich harten Urteil - man spricht von möglichen sieben Jahren Haft", sagt Kyryl Savin, Leiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Kiew. "Oder Timoschenko kommt mit einer Bewährungsstrafe davon. Die würde ihr nach ukrainischem Recht jedoch ein politisches Amts verwehren."

Letzteres Szenario wäre zumindest außenpolitisch für die ukrainische Führung besser vermarktbar - schließlich hat die Inhaftierung der Ikone der Orangen Revolution in Europa Staub aufgewirbelt und Zweifel an der demokratischen und rechtsstaatlichen Entwicklung der Ukraine laut werden lassen. Auch Österreichs Außenminister Michael Spindelegger hatte seinen ukrainischen Amtskollegen vor einem "Schauprozess" gegen Timoschenko gewarnt. Das für das Ansehen der Ukraine extrem schädliche Verfahren findet ausgerechnet zu einem Zeitpunkt statt, da sich Kiew um ein Freihandels- und Assoziierungsabkommen mit der EU bemüht.

Das befürchtete harte Urteil gegen Timoschenko könnte die Annäherung, die vor allem innenpolitisch als beträchtlicher Erfolg für Präsident Wiktor Janukowitsch gewertet werden würde, torpedieren. "Da glühen derzeit wohl die Drähte zwischen Kiew und Europa", meint Savin.

Die dürften aber auch in die andere Richtung glühen: "Russland übt derzeit einen enormen Druck aus, um die Ukraine in die russisch-weißrussisch-kasachische Zollunion zu locken", berichtet der Politologe.