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Timoschenkos Regierung geplatzt

Von Gerhard Lechner

Europaarchiv

Nötige Zahl an Unterschriften fehlt. | 30 Tage Zeit für Regierungsbildung, sonst Neuwahlen. | Kiew/Wien. Dem neuen ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch ist auf dem Weg zu einer Mehrheit im Parlament in Kiew ein erster Etappensieg gelungen: Parlamentspräsident Wladimir Litwin gab am Dienstag das vorzeitige Ende der bisherigen Regierungskoalition unter Ministerpräsidentin Julia Timoschenko bekannt.


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Die "orange Koalition" aus Timoschenkos "BJuT", der Fraktion "Unsere Ukraine" von Ex-Präsident Wiktor Juschtschenko und dem kleinen Litwin-Block hatte die nötigen 226 (von 450) Abgeordneten-Unterschriften nicht mehr zusammengebracht. Daraufhin hätten "Vertreter der Partei der Regionen, von Unsere Ukraine, Kommunisten und Litwin-Block" konstatiert, dass die Koalition "de facto nicht existiert", sagte Litwin. Glaubt man Gerüchten, dann könnten eben diese vier Parteien die neue Regierung bilden - wohl unter Führung der "Partei der Regionen" (PdR) von Präsident Janukowitsch.

Einstweilen wird am Mittwoch im Parlament in Kiew über einen Misstrauensantrag gegen die Regierung Timoschenko abgestimmt. Die Noch-Premierministerin lieferte am Dienstag bereits eine Kostprobe einer möglichen Dolchstoßlegende für kommende Wahlkämpfe: "Morgen werden wir wissen, wer Janukowitsch den Weg für eine antiukrainische Diktatur frei macht", so Timoschenko, die nun die "national-patriotischen Kräfte vereinen" will - auch in der Opposition: Stimmt das Parlament für ihren Rücktritt, werde sie ihr Amt verlassen, erklärte die 49-Jährige.

Ob das Janukowitsch-Lager damit freie Bahn hat, ist aber nicht gesichert. Denn die Bildung einer stabilen Regierung im ukrainischen Parlament ist alles andere als einfach: Schon Timoschenkos Koalition hatte wegen des internen Streits bei "Unsere Ukraine", das de facto in mehrere Fraktionen zerfallen ist, öfters Abstimmungsniederlagen im Parlament erlitten. Außerdem bleibt Timoschenkos Regierung bis zur Bildung einer neuen geschäftsführend im Amt.

Kein Strom für die EU

Und die "Gasprinzessin", die immer noch große Teile des ukrainischen Energiesektors kontrolliert, hat dem neuen Präsidenten den Antrittsbesuch bei der EU gründlich verdorben: Als Janukowitsch am Montag in Brüssel weilte, kündigte der ukrainische Konzern Zachidenergo, der von der Regierung geführt wird, an, die Stromlieferungen in die drei EU-Länder Slowakei, Ungarn und Rumänien zu stoppen - ein Nadelstich, auch wenn die Stromversorgung dieser Länder dadurch nicht gefährdet ist.

Vertreter des Janukowitsch-Lagers geben sich dennoch optimistisch: "In der nächsten Woche" werde die neue Regierung bereits stehen, so Alexander Jefremow, ein Abgeordneter der PdR. Und wenn nicht? "Dann wird eine Parlamentsneuwahl immer wahrscheinlicher", so Jefremow. Nach 30 Tagen ohne neue Regierung hätte Janukowitsch das Recht, Neuwahlen anzusetzen.