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Tirol: "Bürgermeister haben Stinkwut auf Bauern"

Von Katharina Schmidt

Politik

Gemeinden und Bauern kämpfen um Grundeigentum. | Grüner Georg Willi: Alte Verfahren sind strittig. | Dinkhauser will Enteignung, Fischler ortet Kommunismus. | Innsbruck. In Tirol wird es eng. Der seit Jahrzehnten schwelende Streit zwischen Bauern und Gemeinden um Grundeigentum ruft nun zahlreiche Politiker auf den Plan. Wie berichtet, will Arbeiterkammer-Chef Fritz Dinkhauser bei der Landtagswahl 2008 mit einer eigenen Liste gegen die Mutterpartei ÖVP antreten - Hauptgrund dafür ist das "Primat der Bauern".


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Der Hintergrund: Jene Gemeindegründe, auf denen früher die ärmeren Bauern ihr Vieh weiden lassen oder Holz schlagen durften, wurden nach dem Zweiten Weltkrieg ins Eigentum von sogenannten Agrargemeinschaften überschrieben. Insgesamt geht es dabei um 2000 Quadratkilometer. "Die Bauern hatten ohnehin die Nutzungsrechte, viele Gemeinden haben ihnen deswegen das Eigentum übertragen, weil die Bauern dann wenigstens Grundsteuer bezahlt haben", erklärt der ehemalige Landwirtschaftsminister und EU-Agrar-Kommissar Franz Fischler (ÖVP) der "Wiener Zeitung". Die Gemeinden hätten ihre Meinung geändert, als der Bodenwert durch den Tourismus stark gewonnen hat: "Jetzt sagen die Gemeinden, dass ihre Vorväter da einen Fehler gemacht haben."

Und hier liegt das Problem: Viele Gemeinden sind der Ansicht, dass die Agrargemeinschaften seinerzeit widerrechtlich ins Grundbuch eingetragen wurden - und fordern die Gründe zurück. "Die Verfahren von damals sind strittig", so der Grüne Landtagsabgeordnete Georg Willi.

Agrargemeinschaften verlangen hohe Preise

Eigentlich wären die Agrargemeinschaften als Körperschaften öffentlichen Rechts dazu verpflichtet, Überschüsse aus den Ländereien der Gemeinde abzuführen. Stattdessen wirtschaften die Bauern laut Willi in die eigene Tasche. Wenn die Gemeinde selbst Bauland für Schulen oder Sozialwohnungen benötigt, würden die Agrargemeinschaften dafür überhöhte Preise verlangen. Willi: "Viele Bürgermeister haben eine Stinkwut, weil die Agrargemeinschaften sie ausgsackelt haben."

Auch Gerhard Reheis, Bürgermeister von Imst und SPÖ-Nationalratsabgeordneter kritisiert, dass sich die Gemeinden "oft gar nicht bewegen können". Der Wert der "widerrechtlich ins Eigentum von Agrargemeinschaften übertragenen Grundflächen" liegt laut Reheis bei zweieinhalb Milliarden Euro, die jährlichen Einnahmen der Bauern bei 35 Millionen. Davon müssten nach Reheis Rechnung 25 Millionen Euro an die Gemeinden gehen.

"Einige Bauern haben den Bogen überspannt"

Einige Tiroler Gemeinden, darunter auch Imst, sind gegen die Agrargemeinschaften vor den Verfassungsgerichtshof gezogen. Dieser hatte bereits 1982 festgestellt, dass es mit dem Gleichheitsgrundsatz unvereinbar sei, wenn die Nutzungsberechtigen (also die Bauern) auch am Substanzwert des Gemeindeguts beteiligt sind. Auf ähnliche Urteile hoffen nun die betroffenen Gemeinden.

Dass es dazu kommen wird, glaubt Peter Raggl, Direktor des Tiroler Bauernbundes, allerdings nicht. Allein im Sinne der Rechtssicherheit könne es nicht sein, dass jahrzehntealte Bescheide plötzlich als nicht rechtskräftig erkannt würden, meint er. Zwar gibt auch Raggl zu, dass einige Agrargemeinschaften mit ihren Forderungen an die Gemeinden "den Bogen überspannt haben" - "aber es gibt keinen Juristen, der eine Rückübertragung für möglich erachten würde".

Kippt 2008 die Tiroler ÖVP-Mehrheit?

Dinkhauser bleibt jedoch bei seinem Ziel: Rückübertragung des ehemaligen Gemeindeguts in die öffentliche Hand. Und eckt damit nahezu überall an. Fischler etwa will zwar keinen Kommentar zur Kandidatur Dinkhausers abgeben, meint aber: "Ich glaube nicht, das jemand ernsthaft daran denkt, Agrargemeinschaften zu enteignen, da könnten wir ja genauso gut den Kommunismus wieder einführen." Und Willi glaubt, dass Dinkhauser "die Agrargemeinschaften vergessen wird, wenn es Spitz auf Knopf geht", etwa wenn er dafür der ÖVP die Mehrheit sichern kann.

Ähnlich schätzt Reheis die Situation ein, er hofft aber, dass bei der nächsten Landtagswahl die ÖVP-Mehrheit gebrochen werden kann. Auch wenn Bundeskanzler Alfred Gusenbauer, wie er am Freitag gemeint hat, nicht daran glaubt, dass die Mehrheit in Richtung SPÖ kippen könnte, zeigen doch die Umfragen einen leichten Vorsprung für SPÖ-Tirol-Chef Hannes Gschwentner gegenüber ÖVP-Landeschef Herwig van Staa.