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Am kommenden Sonntag finden in Tirol Landtagswahlen statt. Die "Wiener Zeitung" begab sich am Wochenende auf Wahlkampfsuche. Gefunden hat sie einen entspannt durch die Innsbrucker Altstadt schlendernden Landeshauptmann, einen sympathisch-unscheinbaren Landeshauptmann-Vize und einen konventionell-unkonventionellen Klubobmann, der vor eigenen Funktionären und einer Handvoll Jugendlicher zum wohl aussichtslosen Kampf gegen die absolute Mehrheit der ÖVP aufrief. Nur einer der Kandidaten entsprach der herrschenden Anti-Wahlkampfstimmung und begnügte sich damit, tapfer von den Wahlplakaten zu lächeln.
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Der Countdown für die Tiroler Landtagswahlen läuft: Noch fünf Tage bis der Souverän - fast 483.560 Tiroler, davon 231.532 Männer und 252.028 Frauen - sein Urteil spricht und den kandidierenden Parteien für die kommenden fünf Jahre den ihnen gebührenden Platz in der Landespolitik zuweist. Zu behaupten, Tirol sei vom Wahlkampffieber erfasst, wäre jedoch eine grobe Übertreibung. Vielmehr ist es so, dass der Wahlkampf eher gemächlich dahinplätschert. Von einer engagiert-emotionalen Auseinandersetzung um Themen und Personen ist so gut wie nichts zu spüren. Die hier und da aufflackernde Polemik hat eher den Charakter einer Pflichtübung, als dass sie mit dem Furor der begeisterten Überzeugung vorgebracht werden würde. Wohl auch deshalb wird man den Eindruck nicht los, die wechselseitig vorgebrachten Attacken - die Grünen als Lieblingsfeind der Schwarzen und umgekehrt - entstammen eher dem Pflichtgefühl der Wahlkämpfer gegenüber Medien und eigenen Anhängern.
Dabei steht am kommenden Sonntag einiges auf dem Spiel, entscheidet sich doch, ob im "Heiligen Land" wieder der gleichsam natürliche Urzustand einer absoluten Mehrheit der ÖVP, die diese bei den letzten Wahlen 1999 erstmalig, wenn auch nur hauchdünn (19 Stimmen fehlten), verloren hat, zurück erobern kann. Aber nicht einmal dieser Umstand scheint das Tiroler Wahlvolk über Gebühr zu interessieren, vielleicht auch deshalb, weil alle Umfragen genau den triumphalen Wahlsieg der ÖVP prognostizieren, den auch die anderen Parteien fast schon schicksalsergeben als gegeben anzunehmen scheinen.
In dieses Bild passt hervorragend, wie sich die Innsbrucker Altstadt am vergangenen Samstagmittag präsentierte. Den Platz vor dem "Goldenen Dachl" haben die "Roten Nasen" zum Zwecke des Spendensammelns für sich besetzt. Spielstationen, Schminkzelt und Kleinkünstler beherrschen die Szenerie. Und mitten vor den kleinen Bühnen im Zentrum des Platzes steht unscheinbar und - angesichts der nahen Wahl - fast schon unanständig entspannt der amtierende Tiroler Landeshauptmann und VP-Spitzenkandidat, Herwig van Staa.
Rot-blau-grün verfolge nur ein Ziel, nämlich die absolute Mehrheit zu verhindern, erklärt van Staa, das Sakko lässig geschultert und nur von einem Sekretär begleitet. Daneben gebe es kaum Themen. Zwar würden SPÖ wie auch Grüne versuchen, mit bundespolitischen Fragen Wahlkampf zu betreiben, allerdings halte sich der Erfolg dieser Strategie in Grenzen: "Sie kommen damit kaum durch." Van Staa selbst sieht sich vom für die beiden Regierungsparteien derzeit nicht gerade positiven Bundestrend weitgehend verschont und erklärt das so: "Ich war ja schon immer ein bisschen ein Querschießer und auch als Innsbrucker Bürgermeister habe ich gegen die eigene Partei kandidiert."
In Landeck, der roten Bezirkshauptstadt eines tief-schwarzen Bezirks, laden dann am Samstagabend die Bezirks-Grünen zur "Green Party" ins alte Stadtkino ein. Ein grüner Begrüßungs-Cocktail und Musik aus den Boxen sorgen für eine entspannte Atmosphäre. Allerdings hat man mit der Mobilisierung hier doch so seine Probleme. Unter den knapp 30 Zuhörern finden sich vor allem Funktionäre und Mandatare der eigenen Partei. Lediglich eine Handvoll Jugendlicher zählt nicht zum engeren Kreis. Sie sind Freunde und KollegInnen des jungen Bezirkslistenzweiten, der - obwohl natürlich chancenlos auf ein Mandat - den Anliegen seiner Generation eine Stimme geben will.
NR-Abg. und Verkehrssprecherin Eva Lichtenberger, die sich in ihrem Heimatland stark im Wahlkampf engagiert, ist mit der Größe des Auditoriums dennoch zufrieden: In Tirol müsse man sich mit kleinen Erfolgen begnügen. Sie freut sich, dass die Jugend Interesse an grüner Politik zeigt, schließlich werde den Kindern im Heiligen Land Politik wie folgt erklärt: "Die ÖVP isch guat, weil die isch für die Kirchn. Die Roaten ham den Herrgott verrotn. Die Grünen sein sowieso Teifeln."
Bei seiner Rede spart dann Spitzenkandidat Georg Willi - Slogan "Den Georg will i" - nicht mit Spitzen gegen die ÖVP und ihren Chef van Staa. Das Land dürfe nicht wieder zum Spielball in den Händen einer einzigen Partei werden und die Grünen seien der einzige Garant für ein offenes, tolerantes und buntes Tirol.
Die kleinen schwarz-grünen Scharmützel, einziges Salz in der ansonsten faden Tiroler Wahlkampfsuppe, scheint diesmal jedoch beiden Parteien für ihre Positionierung zu nutzen. Auch die Grünen dürfen am Sonntag auf einen kräftigen Stimmenzuwachs hoffen. Dass sie ihr Ziel, die absolute Mehrheit zu verhindern, jedoch erreichen könnten, daran glaubt - zumindest im persönlichen Gespräch - nicht einmal Willi selbst. Angesichts der eigenen guten Umfragewerte tut dies jedoch dem Optimismus der Grünen keinen Abbruch.
Die SPÖ verzichtet in Tirol nahezu gänzlich auf Großkundgebungen. Damit erreiche man nur "die eigenen Leut", sagt SPÖ-Spitzenkandidat LH-Stellvertreter Hannes Gschwentner, der die Landespartei erst vor einem Jahr übernommen hat. "Meine Stärke ist das persönliche Gespräch." Deshalb findet man Gschwentner am Sonntag Nachmittag in Volders (bei Hall), einer schwarzen Gemeinde, bei einem Fest zum autofreien Tag. In seiner ruhigen, zurückhaltenden Art beantwortet er Fragen stets sachlich. Das Poltern, wie es dem Landeshauptmann zugeschrieben wird, liegt ihm nicht. Damit hat er in Kundl geschafft, wovon er auf Landesebene nur träumen kann: 1992 holte er dort für die SPÖ das Bürgermeisteramt von einem ÖVP-Kandidaten, der diese Funktion 27 Jahre lang inne gehabt hatte. Aber steter Tropfen höhlt den Stein und so hofft Gschwentner auf eine Verstärkung des langfristigen Trends: Vor 15 Jahren sei das Verhältnis der ÖVP zu den übrigen Parteien 70 Prozent zum Rest gewesen, jetzt werde es eben 50 Prozent zum Rest werden: "Es hat sich schon was bewegt."
Trotz intensiver Spurensuche war vergangenes Wochenende keine einzige FPÖ-Aktion in Tirol auszumachen. Hinter vorgehaltener Hand erzählen FPÖ-Mandatare, dass sie "ihrem" Spitzenkandidaten Willi Tilg kein Kreuzerl schenken werden. Die FPÖ, die 1998 noch 20 Prozent einfahren durfte, wird nach schweren innerparteilichen Streitigkeiten diesmal möglicherweise nur ein einstelliges Ergebnis erreichen. Tilg hofft, dass er mit einer Halbierung der Stimmen davon kommt.
Fakten und Daten
Im Tiroler Landtag werden 36
M andate vergeben. Um diese bewerben sich fünf Parteien: ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne treten in allen Wahlkreisen an, die KPÖ nur in Innsbruck-Stadt, Innsbruck-Land und Kufstein. Die ÖVP erreichte 1998 mit 47,22 Prozent 18 Mandate. Die SPÖ kam auf 21,77 Prozent (8 Mandate), die FPÖ auf 19,61 Prozent oder (7), die Grünen auf 8,03 Prozent oder drei Mandate. Das LIF (kandidiert nicht) erreichte 3,23, die KPÖ 0,14 Prozent.