Die Politik ist in der Pandemie nicht nur dem eigenen Wahlvolk verpflichtet.
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Tirol hat eindrücklich bewiesen, dass politische Entscheidungen in einer Pandemie nicht nur laut Pandemiegesetz Bundessache sind, sondern auf regionaler Ebene nicht getroffen werden können - und sollen. Angesichts der Verbreitung der südafrikanischen Virusvariante kam es rasch zu einem Schulterschluss - bekanntlich nicht zwischen Bundes-, Landes- und Gemeindepolitik, sondern ganz Tirol stemmte sich geschlossen gegen den Bund, gegen eine Abschottung und damit gegen den Schutz aller anderen Menschen in Österreich.
Tagelang gönnte die zögernde Bundesregierung der Regionalpolitik Zeit, um das Nein zur Quarantäne des Tiroler Landeshauptmanns Günther Platter nochmals zu toppen. ÖVP-Parlamentarier aus dem Land sprachen von "sachlich nicht begründbaren Schikanen". Der Wirtschaftskämmerer Christoph Walser drohte: "Wir dürfen und werden uns das nicht gefallen lassen." Sein Arbeiterkammer-Pendant Erwin Zangerl (ebenfalls ÖVP), forderte absurderweise, Tirol im Quarantäne-Fall bei Covid-19-Impfungen unverzüglich vorzuziehen. Auch FPÖ und Grüne fehlten im beinahe einstimmigen Landeschor nicht, nur SPÖ-Landeschef Georg Dornauer hielt sich - für ihn ungewöhnlich - bedeckt. "Finger weg von Tirol", tönte der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger. "Eine Isolation Tirols täte vielleicht andere vor der Mutation schützen, aber sie nützt uns ja nichts", fabulierte der grüne Tiroler Klubobmann Gebhard Mair - und brachte damit unfreiwillig auf den Punkt, was sich andere außerhalb des Bundeslandes dachten: Bei einer Quarantäne Tirols geht es darum, eine weitere Ausbreitung von B.1.351 außerhalb der betroffenen Orte und des Bundeslandes zu verhindern. Es geht darum, die Wirksamkeit mancher Schutzimpfungen, die bei der Südafrika-Variante gefährdet scheint, aufrecht zu erhalten. Es geht darum, die exponentielle Verbreitung dieser Mutation zu verhindern. Es geht darum, zumindest etwas Zeit zu gewinnen, sowohl für zielgerichtetere Schutzmaßnahmen als auch für ein kleines Aufholen der Medikamenten- und Impfstoffforschung, die der Verbreitung von B.1.351 notgedrungen hinterherhinkt. Letztlich geht es um den Schutz aller Menschen auch über die Landesgrenzen hinweg. Daher ist auch kein Dank der Bayern an Tirol für das von dort entlehnte "Mia san mia" zu erwarten.
Es ist allerdings auch fraglich, ob es in Tirol Stimmen bringt, wenn die Impfung bei den eigenen Leuten nicht wirkt, Spitäler sich wieder füllen und der Imageschaden für den Tourismus einzementiert wird. Nun also gibt es die Warnung vor Reisen nach Tirol statt der viel sinnvolleren Nicht-Ausreise aus Tirol - nach Wien, nach Bayern oder erneut nach Südafrika.