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Schwere diplomatische Verstimmung zwischen den USA und Pakistan. | Neu Delhi. Die Geschichte klingt wie aus einem Spionage-Roman: Der 36-jährige Amerikaner Raymond Davis, ein früherer US-Spezialkommando-Soldat, fährt am Morgen des 27. Januar durch den dichten Verkehr im ostpakistanischen Lahore. Zwei Männer auf einem Motorrad, so sagt er später der Polizei, hätten ihn an einer Kreuzung mit Waffen bedroht und versucht ihn auszurauben.
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Davis gibt zu, die beiden aus seinem Auto heraus in Notwehr erschossen zu haben. Mit seinem Handy ruft er das US-Konsulat in Lahore an und bittet um Hilfe.
Ein Wagen wird geschickt, prescht in Eile durch eine Straße gegen die Fahrtrichtung und überfährt bei der Aktion einen Fahrradfahrer, der später im Krankenhaus stirbt. Die Polizei verhaftet unterdessen Davis am Tatort. Sie sagt, sie habe bei ihm eine Glock-Pistole, ein Teleskop und eine Taschenlampe mit Stirnband gefunden. Dies passt nicht besonders gut zur Version der US-Botschaft, wonach Davis ein Diplomat sein soll.
Pakistan verlangt, dass Davis vor ein pakistanisches Gericht gestellt wird. Die USA hingegen pochen darauf, dass der Mann umgehend freigelassen wird, weil er nach der "Wiener Konvention" Immunität vor Strafverfolgung besitzt.
USA drohen damit, Hilfsgelder einzufrieren
Am Mittwoch verstärkten Mitglieder des US-Kongresses bei einem Pakistan-Besuch den Druck und drohten mit dem Einfrieren von Hilfsgeldern.
Wie so oft in Pakistan ist die Faktenlage verworren und wird von Verschwörungstheorien überlagert. Einer der beiden von Davis erschossenen Männer soll bewaffnet gewesen sein, behauptet die US-Botschaft. Pakistanische Stellen hingegen stellen die Opfer als Kleinkriminelle dar, die ein paar Mobiltelefone gestohlen hatten. Auch über die Frage, welcher Tätigkeit Davis eigentlich nachging, wird gerätselt. Die US-Stellen beschreiben Davis Arbeitsfeld als "sicherheitsbezogen" oder "technisch". Pakistan glaubt, dass Davis im Dienst des amerikanischen Geheimdienstes steht, und wollen ihn wegen Spionage anklagen. Nach Recherchen amerikanischer Medien arbeitet Davis für eine private US-Sicherheitsfirma.
Inzwischen werden starke Geschütze aufgefahren: Die USA warnten Pakistan, dass ein lange angefragter Staatsbesuch des pakistanischen Präsidenten Asif Ali Zardari Ende März in Washington ins Wasser fallen könnte, wenn Davis nicht sofort freikommt. Auch der Geldhahn könne abgedreht werden, hieß es. Die USA unterstützen Pakistan jährlich mit Milliardensummen. Während der Münchner Sicherheitskonferenz diskutierte US-Außenministerin Hillary Clinton den Fall mit dem mächtigen Chef der pakistanischen Armee, Ashfaq Kayani.
In Pakistan heizten unterdessen die Medien die Stimmung gegen Davis und die USA nach Kräften an und schürten antiamerikanische Ressentiments. Wütende Demonstranten zogen tagelang durch die Straßen.
Der Aufruhr wurde noch verstärkt, als die Frau eines der von Davis Getöteten am Sonntag unter rätselhaften Umständen starb. Die 18-Jährige soll sich angeblich mit Rattengift das Leben genommen haben - nicht ohne zuvor theatralisch zu erklären, sie wolle Blut mit Blut gesühnt sehen.
Der Fall Davis ist mehr als eine diplomatische Peinlichkeit. Er zeigt, wie sehr sich das Verhältnis zwischen den USA und seinem Alliierten Pakistan verschlechtert hat.