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Todesurteil mit Bewährungsfrist

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Kuhn

Politik

Umwandlung in eine lebenslange Haftstrafe wahrscheinlich.


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Beijing. Mit einem harten Urteilsspruch ist einer der spektakulärsten Polit-Krimis der letzten Jahrzehnte in China zu einem vorläufigen Ende gekommen. Gu Kailai, die Frau des früheren chinesischen Spitzenpolitikers Bo Xilai, die des Mordes an dem britischen Geschäftsmann Neil Heywood für schuldig befunden worden war, wurde am Montag von einem chinesischen Gericht zum Tode verurteilt, wobei ihr ein zweijähriger Vollstreckungsaufschub gewährt wurde. Die Vollstreckung des Urteils gilt somit als unwahrscheinlich, vielmehr dürfte Gu wohl eine lebenslange Haftstrafe antreten.

Dennoch fällt der Urteilsspruch härter aus, als es Beobachter erwartet hätten. Man war davon ausgegangen, dass die ohnehin angespannte Situation vor dem Parteitag nicht zusätzlich durch ein drakonisches Urteil angeheizt werden sollte. Aktuell trifft sich die Parteispitze im ostchinesischen Badeort Beidaihe, um den Machtwechsel im Herbst vorzubereiten, was nach dem Skandal um den ebenso mächtigen wie populären Bo eine heikle Angelegenheit ist.

Prozess dauerte nurwenige Stunden

Der Prozess gegen die 53-jährige Politikergattin war am letzten Donnerstag vor einem Provinzgericht in Anhui bereits nach wenigen Stunden zu Ende gegangen. Ein Vertreter des zuständigen Gerichts in Hefei sagte, Gu Kailais von den Justizbehörden gestellte Verteidigung habe der Mordanklage nicht widersprochen: "Wegen mir ist eine Tragödie passiert", erklärte sie während der Anhörung und rechtfertigte ihre Tat mit der Sorge um ihren Sohn, den Heywood "bedroht" haben soll.

Die chinesischen Behörden sprachen von "wirtschaftlichen Konflikten", die sie und ihr Sohn Bo Guagua mit dem britischen Geschäftsmann gehabt haben sollen. Demnach sei dieser von GuKailai im November des letzten Jahres von Peking nach Chongqing eingeladen worden, der boomenden Stadt im Südwesten Chinas, der Bo Xilai zu jener Zeit als Parteichef vorstand. In einem Hotelzimmer hätten Heywood und Gu Kailai Alkohol konsumiert, der Brite habe bald darauf über Übelkeit geklagt und um Wasser gebeten. Danach sei Gus Haushaltsgehilfe Zhang Xiaojun ins Zimmer gekommen, gemeinsam habe man den bereits Bewusstlosen auf das Bett gelegt. Zhang habe Gu daraufhin Zyanid ausgehändigt, das sie Heywood in den Mund träufelte. Um den Mord zu verdecken verteilten die beiden leere Flaschen und Packungen mit Schlafmitteln rund um das Bett und hängten ein "Bitte nicht stören" Schild an die Türe. Dem Hotelpersonal schärften sie noch ein, den Briten keinesfalls zu wecken, da dieser sich unwohl fühle.

Zhang Xiaojun wurde der Beihilfe des Mordes für schuldig gesprochen und zu einer Gefängnisstrafe von neun Jahren verurteilt. Er hatte vor Gericht die Teilnahme am Verbrechen gestanden und sich bei der Familie des Opfers entschuldigt: "Es ist mir bewusst, dass ich falsch gehandelt habe. Ich hoffe, dass das Gericht mir die Chance geben wird, noch einmal neu anzufangen."

Die Hauptangeklagte gab sich beim Prozess ebenfalls reumütig: "Ich hatte in jenen Novembertagen einen Nervenzusammenbruch, nachdem ich gehört hatte, dass mein Sohn in Gefahr ist. Die Tragödie, die ich verursacht habe, betrifft nicht nur Neil, sondern auch verschiedene andere Familien."

Die frühere Rechtsanwältin präsentierte sich vor Gericht deutlich übergewichtig, was im Internet Spekulationen über eine Doppelgängerin auslöste. Andere wiederum erklären ihr unvorteilhaftes Aussehen mit den Medikamenten, die sie gegen ihre Depressionen nehmen muss.

Der Verurteilten steht nun ein zweijähriger Aufschub bevor, in dieser Zeit darf sie sich nichts zuschulden kommen lassen, dann dürfte die Todesstrafe in eine lebenslange Haft umgewandelt werden. He Zhengsheng, der Anwalt der Familie des Opfers, sagte am Montag vor Journalisten: "Wir respektieren die heutige Entscheidung." Er fügte jedoch hinzu, er müsse das Urteil mit Heywoods Familie besprechen und wisse nicht, ob diese in Berufung gehen werde.

Mann der Verurteilten steht weiter unter Hausarrest

Der Prozess erregte internationale Aufmerksamkeit. Ob Bo Xilai ebenfalls in den Mordfall verwickelt war, bleibt offen. Er steht nach wie vor unter Hausarrest und wurde seit Monaten nicht mehr öffentlich gesehen. Ihm droht ein innerparteiliches Disziplinarverfahren wegen nicht näher genannter dienstlicher "Verfehlungen" und damit schlimmstenfalls ein Rauswurf aus der Partei.

Seine Frau ist in der Zwischenzeit über Second-Hand-Märkte ungewollt zur Bestseller-Autorin geworden. 1995 hatte die frühere Top-Anwältin ein Buch mit dem Titel "Wie man einen Prozess in den USA gewinnt" veröffentlicht, in dem sie das chinesische Rechtssystem gelobt hatte.

Einige Sätze aus diesem Buch klingen heute wie bittere Ironie: "Wir haben ein Prinzip, das sich ‚auf der Grundlage von Fakten‘ nennt. Wenn wir wissen, dass du jemanden getötet hast, wirst du verhaftet, verurteilt und exekutiert."