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Islamistenführer Molla wegen Mordes verurteilt - Jubel und Wut auf den Straßen.
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Dhaka. Es ist eine umstrittene Aufarbeitung blutiger Geschichte, die in Bangladesch erneut Tote fordert: Dass Gerichte nun die Gräueltaten während des Unabhängigkeitskrieges des Landes von Pakistan im Jahr 1971 untersuchen, sorgt immer wieder für heftige Proteste, bei denen schon etwa 100 Menschen starben. Sowohl Anhänger als auch Gegner der Gerichtsprozesse ziehen dabei durch die Straßen.
Am Dienstag hat erneut ein Urteil für Zündstoff gesorgt. Abdul Quader Molla, einer der führenden Köpfe der islamistischen Oppositionspartei Jamaat el-Islami, wurde zum Tode verurteilt. Und zwar vom Obersten Gerichtshof, der damit den Richterspruch eines Sondertribunals, das die Verbrechen während des Unabhängigkeitskriegs untersucht, noch verschärft hat. Das Tribunal hatte Molla lediglich zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Das Oberste Gericht sah es als erwiesen an, dass Molla während des Krieges für die Ermordung fast einer ganzen Familie verantwortlich war. Es war die letzte Instanz, dem Islamisten bleibt jetzt nur noch die Hoffnung auf eine Pardonierung durch den Präsidenten. Es wurde allerdings damit gerechnet, dass Mollas Anwälte versuchen werden, internationale Gerichte anzurufen.
Die Reaktionen auf der Straße ließen nicht lange auf sich warten, wobei die Stimmung unterschiedlich war. Aktivisten, die schon zuvor immer wieder härtere Strafen gegen Angeklagte gefordert hatten, jubelten bei ihren Kundgebungen. Wütend reagierten die Anhänger der islamistischen Jamaat. In Chittagong, der zweitgrößten Stadt des Landes, brannten Autos, Ausschreitungen forderten laut ersten Medienberichten etwa zehn Verletzte.
Verletzte bei Protesten
Seitdem 2009 das Tribunal zu den Verbrechen des Unabhängigkeitskrieges gegründet wurde, ist Bangladesch polarisiert. Für die einen ist es eine längst fällige Genugtuung für die Opfer, für die anderen ein Instrument der regierenden Awami League, um mit politischen Gegnern abzurechnen. Die Gegner des Tribunals finden sich zwar auch in den Reihen der größten Oppositionspartei BNP, aber vor allem sind es Anhänger der Jamaat. Der Großteil der Angeklagten stammt aus der religiösen Partei, und mehrere Jamaat-Mitglieder wurden bereits zum Tode oder zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Jamaat zählte während des Unabhängigkeitskrieges zu jener Minderheit, die sich gegen eine Souveränität Bangladeschs aussprach.
Es ist mehr als erwiesen, dass es während des neunmonatigen Krieges, durch den sich Bangladesch von Pakistan abspaltete, zu fürchterlichen Verbrechen kam - Historiker schätzen, dass eine halbe Million Menschen getötet wurden, 200.000 Frauen sollen vergewaltigt worden sein. Doch das Tribunal, das unter keiner internationalen Schirmherrschaft steht, wird nicht nur in Bangladesch kritisiert: So bemängelt etwa die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch, dass die Prozesse internationalen Standards nicht entsprechen würden.
Bangladesch drohen nun jedenfalls äußerst unruhige Tage - die Jamaat hat zu einem 48-stündigen Generalstreik aufgerufen. Zudem werden demnächst Richtersprüche in Prozessen gegen weitere Jamaat-Mitglieder erwartet. Der Zorn der Islamisten wird auch noch durch ein weiteres, bereits im Sommer gefälltes Urteil angefacht: Die Jamaat, die derzeit im Parlament sitzt, darf bei den nächsten Wahlen nicht antreten, da sie laut dem Obersten Gericht gegen die Verfassung verstoße.