Ethnische Gewalt, hunderte Tote: Heftige Kämpfe erschüttern Südsudan.
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Juba. Friede, Gerechtigkeit und Wohlstand - groß waren die Versprechen der Sudanesischen Volksbefreiungsarmee (SPLM), als der Südsudan im Juli 2011 seine Unabhängigkeit erhielt. Nach einem jahrzehntelangen Bürgerkrieg sollte nach der Abspaltung vom Sudan mit dem Einnahmen aus den Ölressourcen ein prosperierendes Staatswesen entstehen, das bitterarme Land sich grundlegend wandeln. Die einstige Befreiungsbewegung SPLM regiert nun den jüngsten Staat Afrikas - und dieser versinkt rund zweieinhalb Jahre nach seiner Unabhängigkeitserklärung in Chaos und Gewalt. Der Auslöser dafür waren ausgerechnet Konflikte und Machtkämpfe innerhalb der SPLM. Und diese lösen die früheren Rebellen wieder einmal militärisch und torpedieren damit einen demokratischen Übergang.
Seit Tagen bekämpfen sich in der Hauptstadt Juba rivalisierende Militäreinheiten, die Zivilbevölkerung gerät dabei ins Kreuzfeuer. Die UNO sprach von bis zu 500 Todesopfern - Beobachtern zufolge ist das aber eine konservative Schätzung. Rund 20.000 Zivilisten sollen bereits auf UN-Geländen Zuflucht gesucht haben, die USA haben begonnen, ihre Bürger auszufliegen. Auch aus anderen Landesteilen wurde von Unruhen berichtet.
Interne Machtkämpfe
Damit ist ein Konflikt explodiert, der schon lange schwelte. Gegenüber stehen sich eine Fraktion um Staatspräsident Salva Kiir und eine Gruppierung um den früheren Vizepräsidenten Riek Mashar. Kiir spricht von einem Putschversuch, doch seine Gegner und auch viele Südsudan-Experten machen vielmehr sein eigenes autoritäres Verhalten für die Eskalation der Lage verantwortlich.
So hat der Präsident im Sommer nach internen Machtkämpfen kurzerhand sein gesamtes Kabinett umgebildet. Entlassen wurden dabei Mashar und auch der damalige SPLM-Generalsekretär, der international profilierte Pagan Amun. Sie hatten vorher öffentlich darüber nachgedacht, bei der Präsidentschaftswahl 2015 anzutreten und Kiir damit herausgefordert. Dieser wollte sich seiner Rivalen entledigen, doch die Opposition innerhalb der SPLM kritisierte den Staatschef weiter öffentlich.
Vergangenes Wochenende gelangten dann offenbar Informationen in die Kasernen der Präsidialgarde, dass Kiirs Gegner verhaftet werden sollen, berichtet Annette Weber, die für die deutsche "Stiftung Wissenschaft und Politik" über den Südsudan forscht, der "Wiener Zeitung". Die Garde soll zwar den Präsidenten schützen, doch tatsächlich "gibt es in ihr Loyalitäten zu verschiedenen Personen, und sie besteht aus verschiedenen ethnischen Gruppierungen", erklärt Weber. Soldaten, die sich den Gegnern des Präsidenten verpflichtet fühlen, wollten den Verhaftungen entgegenwirken und die Schießereien gingen los.
Die Regierung hat wiederum nichts unternommen, um die Gewalt einzudämmen. Stattdessen trat der Präsident selbst in Kampfuniform in der Öffentlichkeit auf und versprach seinen Gegnern "Gerechtigkeit". Seither wurden mehrere ehemalige Minister verhaftet, nach Mashar - den Kiir als "Propheten des Untergangs" bezeichnete - wird gefahndet.
Der Konflikt in dem Vielvölkerstaat wird noch dadurch verschärft, dass er auch entlang ethnischer Linien ausgetragen wird. Kiir gehört den Dinka, der größten Volksgruppe, an, Mashar ist ein Nuer. Annette Weber ist seit Tagen mit Bewohnern von Juba in Kontakt - und diese berichten Erschreckendes. So kam es bereits zu ethnisch motivierten Gewaltakten. Nachts wurden Häuser durchsucht, um vor allem Nuer zu verhaften und auch zu exekutieren. Im Gegenzug attackierten Nuer-Soldaten Dinka.
In Juba soll sich die Lage am Mittwoch zwar etwas beruhigt haben, dafür wurde aber von Kämpfen aus der Provinz Jonglei berichtet, in der es schon zuvor immer wieder zu ethnischen Auseinandersetzungen gekommen war. Wenn sich der Konflikt nicht bald entschärft, droht ein Flächenbrand. Immerhin deutete Kiir dann am Mittwochnachmittag an, dass er zu einem Dialog bereit sei.
Die Aussicht auf eine bessere Zukunft scheint die Führung des Südsudans jedenfalls verspielt zu haben. Für Weber kennzeichnen die jüngsten Ereignisse das "Ende des demokratischen Übergangs". Die Chance dafür wäre ihrer Meinung nach da gewesen - nämlich genau in dem Moment, als Maschar und Amun bekanntgaben, dass sie über eine Präsidentschaftskandidatur nachdenken. Dadurch hätten sich aus der SPLM, die 90 Prozent der Parlamentssitze hält, mehrere Parteien bilden können. Doch Kiir hat darauf sofort verschnupft reagiert. "Was sich jetzt abspielt, ist das Zurückfallen in militärische Muster", sagt Weber.