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Cody Wilson und seine Organisation Defense Distributed wollen Baupläne für Waffen ins Internet stellen, die sich dann jeder per 3D-Drucker zusammenbauen kann. Kritiker befürchten die Aushebelung aller Mechanismen zur Waffenkontrolle.
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Washington. Wirklich bedrohlich sieht Cody Wilson auf den ersten Blick nicht aus. Der kurz geschnittene Vollbart überspielt eine kleine Lücke zwischen den Vorderzähnen und unter den Hemden, die der 30-Jährige zumeist trägt, zeichnet sich bereits ein leichter Bauchansatz ab.
Für Bürgerrechtsgruppen wie etwa die Brady-Kampagne zur Verhinderung von Waffengewalt ist der ehemalige Jus-Student aus dem texanischen Austin dennoch der gefährlichste Mann der USA. Denn Wilson, der sich selbst als Krypto-Anarchist bezeichnet, ist die treibende Kraft hinter einer in den Vereinigten Staaten immer breiter werdenden Bewegung, die sich dafür einsetzt, dass im Internet Baupläne für voll funktionsfähige Waffen veröffentlicht werden dürfen, die sich anschließend jeder per 3D-Drucker zusammenbauen kann.
Wilsons Pläne sind dabei alles andere als ferne Zukunftsmusik. Denn nach einem überraschenden außergerichtlichen Vergleich, den die Regierung von US-Präsident Donald Trump Ende Juni geschlossen hat, ist ein noch aus den Zeiten von Trumps Amtsvorgänger Barack Obama stammendes Verbot wegen Verstößen gegen die Waffenexportrichtlinie Itar hinfällig geworden. Die von Wilson gegründete Organisation Defense Distributed könnte damit schon am heutigen Mittwoch beginnen, die ersten Baupläne ins Netz zu stellen. "Das Zeitalter der herunterladbaren Waffe beginnt offiziell", war schon vor Tagen auf der Internetseite von Defense Distributed zu lesen.
Dass die Technik funktioniert, hat Wilson schon 2013 bewiesen. Damals präsentierte er vor einigen ausgewählten Journalisten den "Liberator" ("Befreier"), eine fast gänzlich aus ABS-Plastik gefertigte einschüssige Pistole. Aus Metall waren nur noch der Schlagbolzen - ein ganz gewöhnlicher Nagel - und ein kleines Stück, das per Gesetz vorgeschrieben ist, um Metalldetektoren das Aufspüren von Waffen zumindest ein Stück weit zu erleichtern.
Mit dem Bau der "Liberator" hat Wilson allerdings nicht nur gezeigt, was technisch möglich ist, sondern auch wie groß das Interesse an derartigen Waffen ist. Denn Wilson hatte die Pläne für die Plastik-Pistole bereits 2013 schon ins Netz gestellt, ehe die Obama-Regierung dann nach kurzer Zeit den Stecker zog. In den wenigen Tagen, an denen die Bauanleitungen online zu finden waren, wurden sie aber dennoch mehr als 100.000 Mal heruntergeladen.
"Es ist verrückt"
Zudem war auch schon damals die grundsätzliche Problematik der Waffen aus dem 3D-Drucker offensichtlich. So sind Plastikpistolen trotz des vorgeschriebenen Metallstücks nicht nur wesentlich schwerer zu entdecken, sie verfügen anders als klassischen Waffen auch nicht über eine Seriennummer, mit der sie einem Käufer zugeordnet werden können. Und auch die nicht besonders strikten, aber dennoch existierenden "Background checks", mit denen in den USA der Hintergrund von Waffenkäufern derzeit überprüft wird, würden mit den Download-Waffen hinfällig.
Aus Sicht von Waffengegnern hätten verurteilte Straftäter damit ebenso leichtes Spiel wie Terroristen oder Waffenkäufer, die bisher aufgrund von psychischen Gründen zurückgewiesen wurden. "Es gibt einen Markt für diese Waffen, und zwar nicht nur unter Waffenfetischisten und Hobbybastlern", sagt Nick Suplina von der Organisation "Everytown for Gun Safety. Nichtregierungsorganisationen, die sich für eine stärkere Waffenkontrolle einsetzen, sind aber nicht die Einzigen, die schwere Bedenken haben. Auch bei vielen Sicherheitskräften ist mittlerweile ein stark steigendes Unbehagen zu spüren. "3D-gedruckte Handfeuerwaffen sind darauf ausgelegt, traditionelle Waffenerkennungssysteme zu umgehen", sagt Rick Myers, Direktor der Polizistenvereinigung Major Cities Chiefs Association. "Es ist vollkommen verrückt."
Um die Veröffentlichung der Baupläne doch noch in letzter Minuten zu verhindern, haben Wilsons Gegner daher in den vergangen Tagen alles nur Mögliche in Bewegung gesetzt. So hat der Generalstaatsanwalt des Bundesstaats Washington, Bob Ferguson, schon am Montag bei einem Bundesgericht in Seattle eine einstweilige Verfügung beantragt, mit der die Veröffentlichung gestoppt werden soll. Darüber hinaus reichte Ferguson wegen des Vergleichs mit Wilson eine Klage gegen Trumps Regierung ein, der sich sieben Bundesstaaten und der Hauptstadtdistrikt Washington angeschlossen haben.
Waffen wie Geister
Wilson, der sich auf die von der US-Verfassung garantierten Rechte auf freie Meinungsäußerung und Waffenbesitz beruft, ficht das freilich alles nicht an. Es gebe nun einmal eine Nachfrage nach "nicht rückverfolgbaren Waffen" und sein Unternehmen würde diese bedienen wollen, sagte er dem Technologie-Magazin "Wired". Dass Menschen damit "schlechte Dinge" tun werden, sei keine Rechtfertigung für ein generelles Verbot.
Wilson geht es zudem schon längst nicht mehr nur um seine Einschuss-Plastikpistole. So will der 30-Jährige in nächster Zeit auch jenen Bereich ausbauen, der das zweite Standbein von Defense Distributed darstellt. Dabei geht es vor allem die Herstellung von Teilen sogenannter Ghost Guns. Diese können mithilfe der von Wilson vertriebenen Werkzeugmaschinen aus einem Stück Metall gefräst und anschließend in Eigenregie zusammengebaut werden. Auf diese Weise lassen sich legal und ohne Backgroundchecks Waffen herstellen, die ebenfalls keine Seriennummern tragen. Die Palette der Waffen, die Wilson im Angebot hat, ist allerdings schon jetzt umfangreich. So findet man unter anderem eine AR-15 - jenes Sturmgewehr, das die "Washington Post" unlängst als "Waffe der Wahl für Attentäter" bezeichnete und das auch die Todesschützen bei den Massakern in Parkland und Las Vegas mit insgesamt 76 Toten verwendeten.