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Tödliches Patt in Monrovia

Von Wolfgang Tucek

Politik

In Liberia tobt ein blutiger Bürgerkrieg. Seit der jüngsten Offensive auf die Hauptstadt Monrovia erschüttern täglich neue Schreckensmeldungen die Weltöffentlichkeit. Die LURD-Rebellen wollen nun ultimativ bis zur Entmachtung von Präsident Charles Taylor kämpfen. Dem aus humanitärer Sicht unverständlichen Tauziehen um die Entsendung von US-Friedenstruppen liegen heikle taktische Überlegungen zugrunde.


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Tausende sind auf der Flucht, hunderte sterben, erbitterte und blutige Kämpfe zwischen den Vereinigten Liberianern für Versöhnung und Demokratie (LURD) und den Regierungstruppen von Charles Taylor überziehen die, inzwischen auch von der Cholera heimgesuchte, Hauptstadt Monrovia. "Willkürliche Gewalt, Vergewaltigung und Vertreibung sind an der Tagesordnung", melden die Ärzte ohne Grenzen aus der Krisenregion.

Warum schickt Bush also keine Friedenstruppen? Das Tauziehen um die Entsendung von US-Hilfstruppen hat einen taktischen Hintergrund. Treffen die Einheiten ein, während Taylor noch an der Macht ist, wie er es verlangt, so könnte der Einsatz als Legitimation für den Machthaber gedeutet werden. Flieht Taylor bevor Ordnungstruppen da sind, wie es die USA verlangen, zittert die Bevölkerung schon jetzt vor der völlig unkontrollierbaren Eskalation der Gewalt im entstehenden Machtvakuum. Den USA ist diesbezüglich noch der desaströse Einsatz in Somalia 1993 in Erinnerung, bei dem 18 Marines plakativ massakriert wurden.

Waffenruhe Voraussetzung für ECOWAS-Intervention

Die ECOWAS hat prinzipiell beschlossen, ein Kontingent von 1.300 nigerianischen Soldaten innerhalb einer Woche nach Liberia zu entsenden. Nigerias Präsident Olesegun Obasanjo setzt aber eine - derzeit nicht vorhandene - funktionierende Waffenruhe voraus. Außerdem würden nigerianische Friedenstruppen bei den Liberianern auf gemischte Gefühle stossen. Schon in den 90er Jahren intervenierten sie erfolglos.

Der ausverhandelte - theoretische - Kompromiss soll so aussehen: Die afrikanischen Friedenstruppen sorgen für die Einhaltung einer Waffenruhe, Taylor tritt zurück, eventuell folgen US-Einheiten nach und stabilisieren die Lage nachhaltig. Taylor hat eine offizielle Erklärung bezüglich seines Vielleicht-Rücktritts für Samstag angekündigt.

Der Führer der LURD, Sekou Damate Conneh, schenkt diesem Kompromiss wenig Vertrauen. Seine Rebellen werden weiterkämpfen, bis Präsident Taylor entmachtet ist, verkündet er.

Wer sind die LURD?

Die LURD rekrutieren sich in erster Linie aus den Volksgruppen der Krahn und der Madingo. Die familiären Verbindungen von Anführer Conneh sind ihre Existenzgrundlage. Er ist der Schwiegersohn des Präsidenten von Guinea. Dieser Tatsache verdankt der ehemalige Gebrauchtwagenhändler auch seine politische Rolle. Guinea bot somit Exil-Liberianern eine gute Basis für ihre Rebellenorganisation. Connehs' Stellvertreter ist der jüngere Bruder des 1990 ermordeten Diktators Samuel Doe, Chayee Doe. Er war nach dem Mord mit einem Flugzeug voll Diamanten nach Togo geflohen. Doe gilt als intellektueller Kopf der Gruppe.