Zum Hauptinhalt springen

Tokio und Brüssel weiter uneins

Von Martyna Czarnowska

Europaarchiv

Der Streit um den künftigen Standort des internationalen Fusionsreaktors ITER ist noch nicht beigelegt. Auch nach dem gestrigen Treffen von Spitzenvertretern der Europäischen Union mit Japans Ministerpräsident Junichiro Koizumi zeichnete sich keine Einigung ab. Tokio fordert die EU weiters auf, das Waffenembargo gegen China beizubehalten.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 19 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Japan oder Europa: Wo der Fusionsreaktor ITER gebaut werden soll, ist auch nach dem gestrigen EU-Japan-Gipfel in Luxemburg unklar. Die EU wünscht sich Cadarache in Frankreich als Standort, Tokio Japan. Dennoch orten EU-Vertreter positive Signale. Japan sei einverstanden "die Möglichkeit zu akzeptieren", dass der mit Japan, China, Russland, Südkorea und den USA geplante Reaktor in Europa errichtet werde, erklärte der Luxemburger Wirtschaftsminister Jeannot Krecké gestern in Paris. Eine Entscheidung ist bis Anfang Juli geplant.

Schon im Vorjahr konnten sich die sechs Partner nicht für einen Standort für das zwölf Mrd. Euro teure Projekt einigen. Im November beschloss der EU-Rat für Wettbewerbsfähigkeit eine weitere Anpassung des Verhandlungsmandats der EU-Kommission für ITER. Für Österreich stimmte Bildungs- und Wissenschaftsministerin Elisabeth Gehrer zu - wofür sie Kritik von Anti-Atom-Organisationen erntete.

Kernfusion gilt als eine denkbare langfristige Lösung weltweiter Energieprobleme. In dem Fusionsvorgang, wie er etwa auf der Sonne abläuft, wird im Gegensatz zur Kernspaltung Energie durch Verschmelzung leichter Atomkerne erzeugt. Bei ITER sollen die beiden Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium als Brennstoff verwendet werden. Erstes kommt im Meerwasser vor; das radioaktive Tritium kann aus dem häufig vorkommenden Leichtmetall Lithium gewonnen werden.

Embargo bleibt umstritten

Auch in einer weiteren Frage gab es kaum Annäherung zwischen Japan und der EU. Tokio verlangt die Beibehaltung des von der Europäischen Union verhängten Waffenembargos gegen China. Die EU möchte das Ausfuhrverbot aufheben - wenn auch der Zeitpunkt dafür noch ungewiss ist. "Ich habe unsere Bedenken dargelegt", erläuterte Ministerpräsident Koizumi bei einer Pressekonferenz. "Die Antwort war, dass die EU die japanischen Besorgnisse sehr gut versteht. Die EU möchte aber dennoch voranschreiten - und zwar in einer Weise, die nicht zu einem Problem führt."

Der EU-Ratsvorsitzende Jean-Claude Juncker bestätigte: "Wir nehmen alle Meinungsäußerungen, die wir sowohl von Japan als auch von den USA in dieser Frage gehört haben, sehr ernst." Sollte in der EU Einigkeit über die Aufhebung des Waffenembargos gegen China erzielt werden können, so habe die EU "nicht die Absicht, Waffenexporte nach China in einer Weise aufzunehmen, die die Sicherheit unserer Partner gefährden oder deren Sicherheitsbedenken zuwiderlaufen könnte".