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Lima - Vor einem Jahr war er der strahlende Sieger. Alejandro Toledo, Sohn einer bettelarmen indianischen Familie, aufgestiegen zum renommierten Wirtschaftswissenschaftler, galt als großer Hoffnungsträger für Peru. Nach Jahren der Diktatur, der Misswirtschaft und Korruption trat er am 28. Juli 2001 das Präsidentenamt mit dem Versprechen an, Arbeitsplätze für die Armen und mehr Gerechtigkeit und Demokratie für alle zu schaffen. Zwölf Monate später lässt der Neuanfang noch immer auf sich warten.
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Der einstige Shooting-Star befindet sich mittlerweile im freien Fall. Zwei Regierungsumbildungen, gewaltsame Proteste und miserable Umfragewerte kennzeichnen das erste Jahr seiner Amtszeit. Stimmten bei der Präsidentschaftswahl 52 Prozent der Wähler für Toledo, lehnen mittlerweile 73 Prozent der Bevölkerung seine Politik entschieden ab.
Der politische Aufstieg Toledos begann vor zwei Jahren mit dem Fall seines Vorgängers Alberto Fujimori. Zehn Jahre lang hatte der Sohn japanischer Einwanderer das Land autoritär geführt. Die Wirtschaft brachte er in Schwung, doch die Menschenrechte trat er mit Füßen. Als sich vor der Präsidentschaftwahl im Mai 2000 ein Stimmungsumschwung gegen den Staatschef abzeichnete, klammerte er sich mit aller Macht ans Amt. Nur durch offensichtlichen Wahlbetrug landete Fujimori bei der Wahl vor seinem Herausforderer Toledo, bevor er sich durch eine Betrugsaffäre im Herbst 2000 endgültig ins Aus manövrierte.
Toledo nahm den Wahlkampf auf. Mal im Anzug, mal in leicht angeschmuddeltem weißem Hemd reiste der vom Schuhputzerjungen zum Wissenschaftler aufgestiegene Politiker durch das Land, um die Massen für sich einzunehmen. Mit stets etwas heiserer Stimme versprach er die Schaffung von 400.000 Arbeitsplätzen im Jahr. Die Korruption wolle er bekämpfen und die Menschenrechte stärken. Nach dem Sieg über Ex-Präsident Alan Garcia feierte der erste peruanische Präsident indianischer Herkunft seinen Amtsantritt symbolträchtig auf der Inka-Ruine Machu Picchu.
So schwungvoll Toledos Wahlkampf war, so bescheiden sind die Erfolge seiner Regierung. Am meisten erreicht hat der 56-Jährige noch auf dem Gebiet der Menschenrechte. Eine Wahrheitskommission zur Aufklärung der Verbrechen während des brutalen Bürgerkriegs nahm ihre Arbeit auf. Im Oktober vergangenen Jahres wurden Amnestiegesetze der Fujimori-Ära aufgehoben, die Menschenrechtsverletzungen aus der Zeit von 1985 bis 2000 straffrei stellten. Zugleich verabschiedete das Parlament eine Amnestie für unter Fujimori verurteilte Demonstranten.
International erwarb sich der neue Staatschef mit diesem Programm einiges Ansehen. Im eigenen Land begann sein Stern dagegen früh zu sinken. Experten bescheinigen Toledo ein Glaubwürdigkeitsproblem. "Toledo hat sich in Kleinkonflikten aufgerieben", bilanziert Günther Maihold vom Ibero-amerikanischen Institut in Berlin. "Es ist ihm nicht gelungen, eine Erneuerungsbewegung für das ganze Land in Szene zu setzen." Als geradezu fatal sieht Maihold dabei die Kluft zwischen Toledos Wahlversprechen - eine Marktwirtschaft mit menschlichem Antlitz - und seiner neoliberalen Wirtschaftspolitik. Zuletzt musste auf Druck der Opposition deswegen Wirtschaftsminister Pedro Pablo Kuczinski den Hut nehmen.
Der Unmut der Bevölkerung entlud sich im Juni, als die Regierung im Süden des Landes zwei staatliche Energieunternehmen an eine belgische Firma versteigerte. Mehrere tausend Menschen gingen damals auf die Straße. Sie warfen dem mit einer gebürtigen Belgierin verheirateten Präsidenten, der in Harvard studierte und in der Stanford University promovierte, den Bruch von Wahlversprechen vor. Die Kundgebungen wurden gewaltsam niedergeschlagen. Zwei Menschen wurden getötet, etwa hundert weitere verletzt. Die Regierung nahm den Verkauf vorläufig zurück, Toledos Popularität rutschte weiter in den Keller. So hatten sich die Peruaner die neue Ära nicht vorgestellt - der Ausverkauf lukrativer Produktionsstätten, Armut und ein eklatanter Mangel an Jobs war schon unter Fujimori zu bekommen. AFP