Joseph I. sicherte die politische Vormacht der Habsburger. | Innenpolitische Reformen erhöhten das Ansehen der Monarchie. | Wien. Die Erinnerung an Joseph I. ist heute verblasst - zu Unrecht. Denn zwischen der langen Herrschaft Leopold I., Karl VI. und Maria Theresias mag seine kurze Regierungszeit zwar relativ bescheiden wirken. Sie blieb aber nicht ohne Wirkung, da er nicht nur dem Habsburgerreich die Vormachtstellung erhielt, sondern auch den Grundstein für Maria Theresias spätere Reformen legte. Kommenden Sonntag jährt sich sein Todestag zum 300. Mal.
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Als Joseph I. im Jahr 1705 zum Kaiser gekrönt wurde, hatten die Imperatoren des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation bereits große Teile ihrer ursprünglichen Macht an die Territorialfürsten verloren. Im Norden Deutschlands war den Habsburgern in den Hohenzollern ein starker Konkurrent erwachsen, der Österreich 1740 sogar die reiche Provinz Schlesien entriss. Im Westen bedrohte hingegen Frankreich die Machtpositionen der Habsburger. Dennoch pochte die Dynastie Habsburg auf ihre Vorrangstellung in Europa. Joseph I. versuchte, die Kaiserwürde wieder stärker mit Autorität zu füllen. Was gar nicht so leicht war, denn er erbte einen massiven politischen Konflikt - den Spanischen Erbfolgekrieg.
Testament nicht nach dem Geschmack der Habsburger
In der Zeit der Geburt Josephs am 26. Juli 1678 als ältester Sohn von Kaiser Leopold I. und dessen dritter Frau, Eleonore von Pfalz-Neuburg, bedrohten die Osmanen die österreichischen Lande seit über einem Jahrhundert. Mit viel Glück und der Hilfe des polnischen Königs Jan III. Sobieski war es Leopold I. im Jahr 1683 geglückt, Wien zu retten und die Türken aus ehemals habsburgischen Landen zurückzudrängen. Letztendlich mussten die Türken nach ihrer Niederlage gegen Prinz Eugen von Savoyen im September 1697 neben Ungarn auch Siebenbürgen und größtenteils Slawonien räumen. Der Sieg über die Hohe Pforte sowie der Friedensvertrag von Karlowitz 1699 markierten den Aufstieg Österreichs zur europäischen Großmacht. Die größte außenpolitische Gefahr für das Haus Habsburg war somit gebannt.
Jedoch waren die Habsburger mit dem Tod Karl II. von Spanien im Jahr 1700 dort ohne Erben. Der Spanische Erbfolgekrieg brach aus. Denn das Testament Karls II. fiel nicht nach dem Geschmack der Habsburger aus: Philipp von Anjou, der Enkel Ludwig XIV., sollte als Felipe V. fortan Spanien regieren. Das konnte Wien natürlich nicht akzeptieren - und erhob Josephs Bruder Karl als Carlos III. zum König von Spanien mit Residenz in Barcelona.
Der Machtkampf zwischen den Bourbonen und den Habsburgern wurde schließlich durch den Tod Josephs I. am 17. April 1711 mitentschieden, da Karl dann die Nachfolge seines Bruders in Wien antrat. Beendet wurde der Spanische Erbfolgekrieg im Frieden von Utrecht 1713, durch den die spanischen Besitzungen in Europa geteilt wurden. Das Reich erkannte 1714 die getroffenen Vereinbarungen an. Felipe blieb in Madrid König und die Wiener erhielten unter anderem die südlichen Niederlande und Territorien in Italien. Joseph war weniger an Spanien und mehr an der Herrschaft über Italien interessiert. Seine Bestrebungen, die Macht der Habsburger auch auf Italien auszudehnen, sollten letztlich Erfolg haben.
Frischer Wind in dieInstitutionen des Reichs
Waren die Nachfolgestreitigkeiten in Spanien in der Außenpolitik während der Regierungszeit Josephs I. das Hauptthema, musste er sich innenpolitisch mit dem Freiheitskampf der Ungarn unter der Führung von Fürst Ferenc II. Rákóczi herumschlagen, der seit 1703 in Siebenbürgen entbrannt war. Die Machtstellung der Habsburger in Ungarn war bedroht. Den kaiserlichen Truppen gelang zwar die Rückeroberung von Siebenbürgen, doch erst nach Josephs Tod konnte 1711 in Szatmár Frieden geschlossen werden.
Joseph brachte frischen Wind in die Institutionen des Habsburgerreiches. Innenpolitische Reformen wurden begonnen, die das Ansehen der Monarchie vergrößern sollten. Joseph I. erneuerte das Kabinett und reduzierte den Geheimrat von 150 auf 33 Mitglieder. Das dringendste Problem war die Finanzierung des Spanischen Erbfolgekrieges. Eine Verbesserung der Finanzlage erreichte er, indem er die Verwaltung straffte, die Beamten steuerpflichtig machte sowie bestehende Steuern erhöhte und neue einführte. Auch der Robotdienst für die Bauern wurde reguliert: Sie mussten nun nur mehr eine festgesetzte Pacht abliefern und konnten sich die Arbeit selbst einteilen.
Anders als sein Bruder Karl wurde Joseph nicht von Jesuiten erzogen. Seine gewisse religiöse Toleranz gegenüber den Protestanten unterschied ihn von vielen anderen Habsburgern. Vor allem in der Provinz Schlesien gab der Kaiser den Lutheranern ihre Religionsfreiheit zurück. Kaiser Joseph I. und sein protestantischer Kollege Karl XII. von Schweden vereinbarten 1707 die "Altranstädter Konvention", die alle Einschränkungen für die Religionsfreiheit aufhob, die mit der Neuordnung nach dem Dreißigjährigen Krieg (Osnabrücker Friede, 1648) in Kraft getreten waren.
Lehrmeister von Joseph in der Kunst der Architektur war Johann Fischer von Erlach, aus dessen Hand die Planungen für Schloss Schönbrunn stammen. Während seiner Regierungszeit war es dem Kaiser jedoch nicht vergönnt, sich mit großartigen Bauwerken im Stadtbild Wiens zu verewigen.
Bei seinem Interesse an den schönen Künsten war der Kaiser ähnlich musikalisch wie sein Vater Leopold und sein Bruder Karl. Der Nachwelt sind zwei weltliche Kompositionen und ein geistliches Stück, die Cantata "Regina coeli", überliefert. Joseph war Förderer der Wiener Akademie der Künste, die als private Einrichtung von Peter Strudel gegründet worden war und zur "Kaiserlichen Akademie" erhoben wurde.
Zahlreiche Mätressen,amouröser Lebenswandel
Die Persönlichkeit des habsburgischen Monarchen ist in der historischen Rückschau oft kritisch beurteilt worden - vor allem aufgrund seines amourösen Lebenswandels. Schon in jungen Jahren trat Joseph mit dem schönen Geschlecht in Kontakt und hatte zeitlebens Mätressen, womit er als barocker Herrscher die gängige Regel bestätigte. Die Behauptung, der Monarch habe durch seine amourösen Abenteuer und seine Jagdleidenschaft die Regierungsgeschäfte schleifen lassen, ist wohl zu hart. Der Vorwurf der Leichtlebigkeit lässt sich wohl nur im Kontrast zum Vater und Bruder sehen, die für das Barockzeitalter eine ungewöhnlich moralische Lebensführung zeigten. Die Gemahlin und Kaiserin Josephs I. wurde Wilhelmine Amalie von Braunschweig-Lüneburg, die er 1699 in Wien heiratete.
Das Hauptverdienst Kaiser Josephs war sicher die außenpolitische Konsolidierung der habsburgischen Machtstellung und sein Anstoß zu innerpolitischen Reformen - die im Endeffekt nicht konsequent genug umgesetzt wurden. Hätte der Habsburger länger regiert und die Reformansätze zielstrebiger umsetzen können, wäre Habsburg-Österreich 1740 vielleicht besser gegen den Ansturm des Preußenkönigs Friedrich II. gewappnet gewesen.