Der ACR Woman Award 2013 geht an eine Lebensmitteltechnologin des OFI.
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Wien. Victoria Heinrich hat mit 26 Jahren bereits viel erreicht: Ein Studium der Lebensmitteltechnologie an der Universität für Bodenkultur in Wien hat sie erfolgreich abgeschlossen. Das ergänzende Zweitstudium, Safety in the Food Chain (Sicherheit in der Nahrungskette), steht kurz vor dem Abschluss. Heinrich arbeitet außerdem an ihrer Dissertation - neben ihrem Beruf als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Österreichischen Forschungsinstitut für Chemie und Technik (OFI).
Die üblichen Verdächtigen
Am Dienstagabend wurde Heinrich für ihre Arbeit mit dem ACR Woman Award ausgezeichnet. Sie ist die bisher jüngste Trägerin dieses Preises für Frauen in der angewandten Forschung. "Ich halte solche Auszeichnungen speziell für Frauen für wichtig", sagt die Wissenschafterin zur "Wiener Zeitung" und ergänzt: "Aber es sollte immer die Leistung im Vordergrund stehen."
Genau darum geht es: Der ACR Woman Award, der seit 2010 von Austrian Cooperative Research gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium vergeben wird, will Frauen in der angewandten Forschung diese ambivalenten Gefühle nehmen und die Wissenschafterin ebenso wie ihre Leistung würdigen. In der betrieblichen Forschung sind Frauen hierzulande noch seltener anzutreffen als an der Universität. Während der Hochschulsektor auf einen Frauenanteil von 34 Prozent am wissenschaftlichen Personal verweisen kann, sind es im Unternehmenssektor nur 15 Prozent (2011). Insgesamt liegt der Frauenanteil außerhalb der Universität in Naturwissenschaft und Technik bei etwa 21 Prozent. Dieses Geschlechterverhältnis findet sich in ganz Europa. Was die Ursachen betrifft, so dominieren auch in Bezug auf die angewandte technische Forschung die üblichen Verdächtigen, die fast jede weibliche Karriere negativ beeinflussen: Versagensängste, Geschlechterstereotypien, Männer-Netzwerke, mangelnde weibliche Vorbilder und fehlende Pflege- und Kinderbetreuung.
In der betrieblichen Forschung kommt hinzu, dass dort, anders als an der Universität, individuelle Leistungen "unterbewertet" werden, wie die Wissenschaftsforscherin Anita Thaler in einer Untersuchung schreibt: "Patente und Publikationen werden sehr häufig als Team- oder Unternehmenserfolge interpretiert."
Victoria Heinrich ist seit 2011 am OFI. Als frischgebackene Absolventin der Boku - die ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis von männlichen und weiblichen Studierenden aufweist - übernahm sie mit 24 Jahren die Leitung eines internationalen Forschungsprojekts. Bei "CureColor" ging es darum, die typische Vergrauung von verpackten Fleisch- und Wurstwaren zu untersuchen und für die Industrie gangbare Wege zu identifizieren, diese Vergrauung zu minimieren. Heinrich, die überzeugt ist, dass Frauen heute "viel weiter nach oben kommen können" als früher, arbeitete im Labor, analysierte die Prozessschritte der Verarbeitung in den Betrieben und koordinierte Forschungspartner in Slowenien, Deutschland und Österreich.
"Es war toll, dass das Projekt so vielfältig war und dass meine Forschung konkrete Ergebnisse brachte", sagt die Preisträgerin. Die Jury des ACR Woman Award, in der Personen aus Wirtschaft und Forschung sitzen, sieht vor allem ihre individuelle Leistung in einem wirtschaftlich relevanten Projekt und lobt den "ganzheitlich-interdisziplinären Zugang".
Heinrich wird sich nun wieder mehr ihrer Dissertation widmen können, die sich mit pathogenen Keimen in der Lebensmittelindustrie beschäftigt. An den Naturwissenschaften schätzt sie vor allem die "breiten Entfaltungsmöglichkeiten". Ob sie diese weiterhin in der angewandten Forschung ausloten wird, weiß die Niederösterreicherin noch nicht. "Ich tüftle auch sehr gern an spezialisierten Fragestellungen, die vor allem wissenschaftlich interessant sind", sagt sie. Der industrienahen Forschung wäre es zu wünschen, dass Heinrich bleibt. Es wäre eine Ausnahme. Auch in der betrieblichen Forschung gelingt es nur wenigen Frauen, die "gläserne Decke", die ihre Karrieren begrenzt, zu durchbrechen.