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Tony Blair und der Fluch des Irakkriegs

Von Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Im Zeichen anhaltender Flüchtlingsströme Richtung Europa blickt der britische Ex-Premier mit gemischten Gefühlen zurück auf die Invasion im Irak.


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Mit einem Mal steht Tony Blair wieder im Rampenlicht der Politik in London. Zwar hält Blair noch immer daran fest, dass es seinerzeit richtig gewesen sei, den damaligen irakischen Machthaber Saddam Hussein gewaltsam abzusetzen. Bei den Umständen jener Invasion gebe es aber sicher auch manches zu kritisieren, räumt der damalige Juniorpartner des US-Präsidenten George W. Bush heute ein. Zum Beispiel seien falsche Geheimdienst-Informationen zur Rechtfertigung der Invasion verwendet worden. Und bei der Planung für die militärische Besetzung des Landes habe man zweifellos Fehler gemacht.

Bedauert hat Blair diese beiden Dinge schon mehrfach in vergangenen Jahren. Diesmal - in einem Interview mit dem US-Sender CNN - hat er jedoch einen dritten, neuen Aspekt ins Spiel gebracht. Dass die Besetzung Iraks durch britische und US-Truppen zum späteren Aufstieg des "Islamischen Staates" (IS) beigetragen haben mochte, will er nun nicht mehr grundsätzlich ausschließen: "Natürlich kann man nicht sagen, dass diejenigen von uns, die Saddam 2003 gestürzt haben, keine Verantwortung für die Situation von 2015 tragen."

Freilich hätten auch andere Entwicklungen, wie etwa der Arabische Frühling oder "die Untätigkeit des Westens in Syrien", zum Vormarsch des IS beigetragen, schränkt Blair sein behutsames Eingeständnis schnell wieder ein. Den Vorwurf, an einem Kriegsverbrechen mitgewirkt zu haben, hält er ohnehin für absurd.

Wenn sein "Verbrechen" darin bestanden habe, Saddam loszuwerden, müsse man das nur einmal mit dem Bürgerkrieg in Syrien kontrastieren, meint er: "Wer da abseits gestanden ist, wie wir im Westen, trägt dafür Verantwortung - Europa in erster Linie." Am Prinzip militärischer Intervention, notfalls auch ohne UN-Rückendeckung, hat Tony Blair auch heute eigentlich nichts auszusetzen.

Kritiker sehen freilich eine klare Verbindung zwischen der Destabilisierung Iraks nach der Invasion und anschließendem Aufruhr und wachsender Militanz im Sunni-Lager.

Die jüngsten Bemerkungen Blairs kommen nicht zufällig zu diesem Zeitpunkt. In wenigen Wochen soll (endlich) der offizielle Irak-Untersuchungsbericht veröffentlicht werden, mit dem Blair-Nachfolger Gordon Brown 2009 den Staatsbeamten Sir John Chilcot beauftragt hat.

Und im Chilcot-Bericht sollen schwere Beschuldigungen gegen Blair, gegen hochrangige Minister und gegen die damaligen Geheimdienstbosse enthalten sein. Genau aus diesem Grund, um den erwarteten Schlag des Reports abzudämpfen, habe sich Blair nun geäußert, zürnt die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon: "Hier kommt Blairs Spin-Operation bereits in Schwung."