Manager in China zu Tode geprügelt. | In Frankreich kommt es laufend zu Geiselnahmen. | Fabriken von Mitarbeitern besetzt und verwüstet. | Klassenkampf auf chinesisch: Chen Guojun, Chef der privaten Stahlfirma Jianlong, wurde am 24. Juli von hunderten aufgebrachten Arbeitern attackiert und zu Tode geprügelt. Der Manager, der die Streichung von 30.000 Arbeitsplätzen angedroht hatte, sollte eine Fusion mit der staatlichen Firma Tonghua durchziehen. Es war durchgesickert, dass er ein Monatseinkommen von umgerechnet 300.000 Euro beziehen soll - ein Arbeiter erhält gerade 20 Euro. Die geplante Zusammenführung der Stahlfirmen wurde mittlerweile von der Kommunistischen Partei auf Eis gelegt.
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Zahlreiche Manager leben heutzutage gefährlich - auch wenn Übergriffe meist wesentlich glimpflicher enden als für Chen Guojun.
Fred Goodwin, Ex-Boss der Royal Bank of Scotland, zog sich den öffentlichen Zorn zu, als bekannt wurde, dass er nach seinem Rausschmiss im vergangenen Jahr 760.000 Euro erhalten sollte - und zwar für den Rest seines Lebens. Der 50-jährige Schotte war geschasst worden, nachdem seine Bank 2008 in extreme Probleme gerasselt war und dabei einen Verlust von rund 24 Milliarden Pfund angehäuft hatte. Im März verwüsteten unbekannte Täter Goodwins Haus nahe der schottischen Hauptstadt Edinburgh und schlugen die Heckscheibe seiner davor geparkten Mercedes Benz S-600-Limousine ein.
Wut auf Boni-Zahlungen
Die früheren Topmanager des US-Versicherungskonzerns American International Group (AIG) kamen ebenfalls mit dem Schrecken davon: Vor ihren Villen versammelten sich kürzlich aufgebrachte Demonstranten, die gegen die astronomischen Bonuszahlungen von mehr als 200 Millionen Dollar protestierten. Die amerikanische Regierung hatte die ehedem weltgrößte Assekuranz mit fast 200 Milliarden Dollar vor dem Ruin retten müssen.
Kritisch kann es angesichts der weltweiten Wirtschaftskrise werden, wenn Arbeitsplätze in Gefahr sind. So kam es etwa in Hannover zu Demonstrationen, als der Reifenhersteller Continental rigide Sparmaßnahmen ankündigte. Tausende Beschäftigte zogen mit Trillerpfeifen und Spruchbändern durch die Stadt. Im betroffenen Conti-Werk im französischen Clairoix hingegen brach deswegen im März ein wochenlang anhaltender Sturm der Entrüstung aus, nachdem bekannt geworden war, dass die Fabrik geschlossen und die 1100 Beschäftigten arbeitslos werden sollten. Manager wurden mit Eiern beschossen, Scheiben eingeschlagen und mehrere Bürogebäude verwüstet.
"Sie wollen uns wie die Schafe zur Schlachtbank führen, doch sie bekommen es mit Löwen zu tun", begründete ein französischer Gewerkschaftsbonze die wütenden Proteste. In weiterer Folge wurde das Werk von hunderten Mitarbeitern gestürmt und besetzt, wobei ein Haufen Reifen in Flammen aufging.
Im Taxi gefangen
In Frankreich, wo die Wirtschaftskrise eine Welle von Fabrikschließungen und Massenkündigungen ausgelöst hat, eskaliert die Stimmung zunehmend. Seit März geht es Schlag auf Schlag: In der Nähe von Bordeaux hielten aufgebrachte Arbeiter einer Sony-Fabrik Serge Foucher, den Frankreich-Chef des japanischen Elektronikkonzerns, eine Nacht lang fest. Sie blockierten die Zufahrt zur Produktionsstätte mit Baumstämmen und Fässern, um höhere Abfertigungen wegen der bevorstehenden Schließung des Magnetbandwerks zu fordern. "Wir wollen mit Würde behandelt werden", sagte ein Gewerkschafter.
Auch Luc Rousselet, Frankreich-Chef von 3M, wurde in dem auf Medizinprodukte spezialisierten Werk des US-Konzerns im zentralfranzösischen Pithiviers 12 Stunden in Gewahrsam genommen. "Wir haben keine andere Wahl, als ihn festzunehmen", sagte ein Gewerkschafter. Seine Leute hatten Rousselet in ihre Gewalt gebracht, weil sie eine Neuverhandlung von Abfertigungen bei 110 anstehenden Kündigungen verlangten. In beiden Fällen - Sony und 3M - erklärten sich die Firmenchefs zu nochmaligen Gesprächen bereit, am Personalabbau änderte sich freilich nichts.
Ein anderer spektakulärer Fall ereignete sich in Paris: Ende März wurde der französische Milliardär Francois-Henri Pinault von Dutzenden Mitarbeitern eingekesselt, als er in ein Taxi stieg. Die aufgebrachten Mitarbeiter machten ihrem Zorn über geplante Job-Kürzungen Luft, die der Chef des Luxus-Handelskonzerns Pinault Printemps Redoute angekündigt hatte. Pinault, der auch das Nobellabel Gucci besitzt, wurde eine Stunde lang in Sprechchören als "dreckiger Schuft" beschimpft, ehe die Polizei den Weg frei bekam.
Am selben Tag wurden in Grenoble Firmenchef Nicolas Polutnik und drei weitere Manager des dort tätigen US-Baumaschinenherstellers Caterpillar von Mitarbeitern 24 Stunden im einem Büro gefangen gehalten. Caterpillar France hatte kurz zuvor bekanntgegeben, 733 Stellen abbauen zu wollen. Trotz der wütenden Proteste und tagelanger Streiks blieb es bei den Jobkürzungen.
Im April sorgten Angestellte des größten französischen Autozulieferers Faurecia für Schlagzeilen: Mit der Geiselnahme von Führungskräften wollten sie höhere Abfindungen bei Verlust ihres Arbeitsplatzes herausholen. Das Management des zu PSA Peugeot Citroen gehörenden Unternehmens muss auf Grund hoher Verluste rund 700 Millionen Euro einsparen - die Stimmung in Nanterrre ist nach wie vor aufgeheizt.
Im Juli sperrten die Beschäftigten eines Michelin-Werks in Montceau-les-Mines nach einigen angedrohten Fabriksprengungen vier Führungskräfte des Reifenherstellers nächtens kurzerhand ein. Grund waren Disziplinarverfahren gegen Arbeiter, die sich geweigert hatten, an Maschinen zu arbeiten, an denen sie nicht ausgebildet worden waren. Seither protestiert die Belegschaft auf ihre Weise gegen die Ankündigung der Konzernleitung, knapp 500 Stellen streichen zu wollen: nämlich mit zahlreichen Sachbeschädigungen.
Fausthieb und Fußtritte
Wie dramatisch Protestaktionen ausfallen können, zeigte sich etwa beim Maschinenbauer JLG oder beim Netzwerkausrüster Nortel: In beiden Fällen stellten Fabrikarbeiter mit Brennstoff besprühte Gasflaschen am Firmengelände auf und drohten mit Sprengung, falls man ihre Forderungen nicht erfülle. Das Ultimatum fruchtete: Die Betriebe genehmigten den gekündigten Mitarbeitern erhöhte Abfertigungen. "Die Aktionen müssen eben immer stärker werden", konstatierte ein involvierter Gewerkschaftsführer.
Anfang August schließlich fand ein monatelang schwelender Konflikt im südfranzösischen Villemur-sur-Tam ein Ende - allerdings kein erfreuliches: Der aus den USA stammende Manager des Autozulieferers Molex wurde von 40 großteils betrunkenen Werkarbeitern mit Fausthieben und Fußtritten traktiert. Daraufhin ordnete die Konzernleitung umgehend die Schließung des seit Anfang Juli bestreikten Werkes an. 300 Mitarbeiter verloren ihre Arbeit.