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Top-Marken verlieren ihren Glanz

Von Peter Muzik

Wirtschaft

Lacroix, Burani & Co. überstehen die Krise nicht. | Luxus-Branche in der Sinnkrise. | Hohe Schulden zwingen zu rascher Partnersuche. | Er beherrschte mit seinen farbenprächtigen und extravaganten Entwürfen zwei Jahrzehnte lang die Pariser Modeszene. So wie Jean-Paul Gaultier, Yves Saint-Laurent und Karl Lagerfeld spielte er in der Top-Liga der weltweit verehrten Stardesigner eine glamouröse Rolle. Aber jetzt ist der französische Couturier Christian Lacroix endgültig out. Sein chronisch defizitäres Unternehmen, das seit 2005 der amerikanischen Falic Group gehört, schlitterte nach einem monatelangen Todeskampf in die Pleite.


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Die ausgefallenen, häufig realitätsfernen, allemal aber sündteuren Kreationen von Monsieur Lacroix werden jedenfalls auf Laufstegen nicht mehr zu bewundern sein. Der Markenname der aus dem Mode-Olymp in den Bedeutungslosigkeit gestürzten Edelschneiderei bleibt zwar erhalten, aber der Modepapst wird ebenso wenig an Bord sein wie 100 bisherige Mitarbeiter. Künftig wird der auf 12 Mitarbeiter abgemagerte Betrieb keine opulenten Ballonröcke aus Seidentaft produzieren, nicht mehr für Popstars wie Madonna oder Christina Aguilera ausgeflippte Kostüme kreieren und schon gar nicht mehr großspurig in aller Welt eine Luxusboutique nach der anderen eröffnen.

Die große Wirtschaftskrise hat der kleinen Traumwelt von Christian Lacroix ein jähes Ende bereitet. Der leidenschaftliche Opernfan, der sich künftig primär als Kostümdesigner am Theater versuchen wird, hat beispielsweise mit neu eröffneten Nobelläden in New York und Las Vegas finanziellen Schiffbruch erlitten. Wichtige Department-Stores in den USA nahmen sodann die Marke aus dem Programm. Und als schließlich in der Pret-à-Porter-Sparte plötzlich die Bestellungen für den Sommer um 35 Prozent zurückgingen, war der scheinbare Erfolgsfaden gerissen.

Traumfabriken mitvielen Achillesfersen

Während das vielbewunderte, aber so gut wie immer rote Zahlen produzierende Luxus-Label Lacroix letztlich an inkompetenten Finanz- bzw. Marketingberatern und damit an sich selbst scheiterte, haben die kommerziellen Troubles anderer Top-Ausstatter im obersten Preissegment primär mit dem abrupten Vermögensschwund der Superreichen zu tun. Zahlreiche betuchte Kundinnen und Kunden, deren Hang zum Marken-Fetischismus bislang für den Hype um modische Luxusgüter gesorgt hatte, blieben schlagartig aus.

Während die erwirtschafteten Gewinne fast in allen Häusern sanken bzw. manche in die roten Zahlen schlitterten, nahmen die Schulden bisweilen drastisch zu. Auf Grund der Konjunkturbaisse war die gewohnte heile Welt der Luxus-Unternehmen aus den Fugen geraten: Die Valentino Fashion Group etwa, mit 2,2 Milliarden Euro (rund 3 Milliarden Dollar) in der Kreide, musste sich auf Geheiß ihres Eigentümers, des Private Equity-Fonds Permira, von der viel größeren deutschen Schwester Hugo Boss AG trennen. Ihre defizitäre Haute Couture-Fertigung wurde mit den Pret-à-Porter-Kollektionen zusammengelegt.

In etlichen Fällen wurden, so wie bei Hugo Boss oder der französischen Mode-Ikone Chanel, reihenweise Mitarbeiter abgebaut. Auch der neue Vorstandsvorsitzende von Versace, Gian Giacomo Ferraris, musste krisenbedingt jeden vierten seiner weltweit 1360 Beschäftigten kündigen. Andere Modetitanen wiederum, vor allem jene in Familienbesitz, machten sich auf Partnersuche: Die von Miuccia Prada geführte, angeschlagene Trendsetter-Firma Prada zum Beispiel führte Mitte des Vorjahres Gespräche mit einer Fondsgesellschaft aus Katar, die sich zu 30 Prozent beteiligen und das 1913 als biedere Lederwarenerzeugung gegründete Unternehmen aus dem Schlamassel führen sollte. Bislang kam allerdings bloß ein Deal mit den Banken heraus, die sich bereiterklärten, auf die Rückzahlung der 450 Millionen Euro Schulden bis 2012 zu warten.

Rasche Expansionzumeist auf Pump

Der Mailänder Modegigant, der die zugekauften Marken Jil Sander und Helmut Lang schon längst wieder abstoßen musste, wird weiterhin, ähnlich wie sein ebenfalls nicht besonders finanzkräftiger Rivale Roberto Cavalli, jenes rettende Dach suchen, das erst vorige Woche die in Amsterdam ansässige Tommy Hilfinger Inc. gefunden hat: Das 1985 gegründete Unternehmen, das mittlerweile als 3 Milliarden Euro-Company in 65 Ländern seine als cool geltenden Kreationen absetzt, wurde vom britischen Finanzinvestor Apax Partners für 2,2 Milliarden Euro an die amerikanische Modekette Phillips-Van Heusen weitergereicht. Chefdesigner Tommy Hilfinger, der den damals angeschlagenen Laden 2006 zu einem Superpreis verhökert hatte, rückt nunmehr mit seinem bisherigen, für eine zeitgenössisch-moderne Linie bekannten US-Mitbewerber Calvin Klein zusammen.

Geradezu in letzter Sekunde einen Retter fand der deutsche Modekonzern Escada, der im August vorigen Jahres Insolvenz angemeldet hatte, weil ihm das Geld ausgegangen war. Die neue Inhaberin Megha Mittal, 33-jährige Schwiegertochter des indischen Stahlmagnaten Lakshmi Mittal, will das Label nicht mehr im allerteuersten Marktsegment positionieren, sondern mit frischem Design sowie anderen Stoffen und Farben am etwas breiteren Luxusmarkt punkten und neue Kundschaft ansprechen.

Seit rund einem Jahr bereits kämpft auch die Mailänder IT Holding ums Überleben. Sie hatte sich 2002 mit dem Erwerb der Marke Gianfranco Ferrè erhebliche Schulden aufgehalst, was im Hinblick auf die krisenbedingte Kreditklemme nahezu tödlich war. Die Gruppe, die zuletzt 640 Millionen Euro umgesetzt und 1800 Mitarbeiter beschäftigt hat, musste den Konkurs ihrer Tochter Ittierre verkraften, die auch für noble Marken wie Versace, Just Cavalli und Galliano produziert hat. Wie es weitergeht, steht vorerst noch in den Sternen.

Tragisch zu enden scheint hingegen - just zum 50. Firmenjubiläum - die Geschichte der italienischen Mariella Burani Fashion Group: Der klassische Familienbetrieb aus Cavriago hatte sich unter der Regie von Sohn Giovanni zu einem weltweit präsenten Mode-Konglomerat mit unzähligen Tochterfirmen gewandelt. Die Gruppe setzte im letzten Jahrzehnt, besonders 2007 und 2008, auf eine wilde Expansion und Diversifikation im Bereich Lederwaren und Schmuck. Sie verleibte sich etwa die Marken Mandarina Duck und Francesco Biasia sowie das deutsche Modehaus René Lazard ein, eröffnete laufend neue Flagships, Boutiquen und Showrooms und dehnte ihr aus mehr als 10.000 Shops bestehendes Vertriebsnetzwerk bis nach Moskau, Peking oder Dubai aus.

Mit rund 50 großteils fremdfinanzierten, kostspieligen Zukäufen, von denen einige so wie die in Österreich akquirierte Herrenmodekette Don Gil wieder abgestoßen wurden, hat sich der Burani-Konzern kräftig übernommen. In den Boomjahren war es zwar noch relativ gut gelaufen - die Gruppe produzierte in Lizenz auch für Labels wie Vivienne Westwood, Missoni oder Aigner -, doch die Finanzkrise bereitete der Expansion auf Pump ein jähes Ende. In den ersten neun Monaten 2009 brachen die Umsätze um 30 Prozent auf rund 400 Millionen Euro ein, die Bilanz war plötzlich mit minus 150 Millionen tiefrot, und der Schuldenberg von einer halben Milliarde wuchs der Familie über den Kopf. Mitte März wurde die Burani-Gruppe in die Insolvenz geschickt. Der Masseverwalter muss in Kürze entscheiden, ob sie weitergeführt oder liquidiert wird.

Im Gegensatz zu den Pleitekandidaten machen einige Luxus-Marken trotz Krise eine exzellente Figur: Das französische Top-Label Louis Vuitton etwa, das seine Aktivitäten - ähnlich wie Gucci oder Salvatore Ferragamo - insbesondere am Zukunftsmarkt China vehement verstärkte, meldet Rekordumsätze und ebensolche Gewinne (siehe Kasten). Beim geschätzten Firmenwert liegen die Franzosen gleichauf mit BMW oder Marlboro. Gucci, diesbezüglich auf einem Level mit dem Philips-Konzern, schafft nach wie vor exzellente Bilanzen. Und Chanel, vergleichbar mit Nestlé, gilt so wie Dior vor allem in Russland als begehrte Kultmarke.

Schlacht um Luxus-Kunden

Die Wirtschaftskrise wirkt sich auf die drei dominanten Luxuskonzerne höchst unterschiedlich aus: Die LVMH SA. - das Kürzel steht für Louis Vuitton Moet Hennessy - ist mit rund 60 Top-Marken Branchenleader und hat die Konjunkturflaute relativ unversehrt überstanden. Die Gruppe verkauft nicht nur Fashion, Lederwaren und Accessoires, sondern auch Champagner, Weine, Cognac und Whisky, Parfums und Kosmetika sowie Uhren und Schmuck. Zu ihren Elitelabels zählen u.a. Dom Pérignon, Christian Dior, Givenchy, Kenzo, Fendi und Loewe, obendrein ist sie an der Kosmetikfirma Guerlain beteiligt. Der Nettogewinn sank allerdings um 13 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro, die Verschuldung wurde um 900 Millionen auf knapp drei Milliarden Euro gesenkt.

Deutlich schlechter als der LVMH SA. erging es der im Schweizer Kanton Genf ansässigen Richemont SA. Sie wurde 1988 vom Südafrikaner Anton Rupert gegründet, befasst sich hauptsächlich mit Schmuck, Uhren, Schreibgeräten und Bekleidung und vereint beispielsweise Unternehmen wie Baume & Mercier, Cartier, Chloé, Dunhill, IWC, Piaget oder Montblanc, die sie allesamt zu 100 Prozent besitzt, unter einem Dach. Richemont setzte mit fast 20.000 Mitarbeitern im Geschäftsjahr 2008/09 (bis Ende März) noch 5,4 Milliarden Euro um - doch dann kam es faustdick: Die Umsätze, insbesondere bei Uhren, sackten um durchschnittlich 15 Prozent ab. In den USA setzte es minus 35 Prozent, in Europa ging das Geschäft um 21 Prozent zurück. Der operative Profit rutschte im Vorjahr um 29 Prozent auf 390 Millionen ab. Konsequenz: Chairman Rupert, der obendrein 19 Prozent an British American Tobacco hält, wird am 1. April als CEO von Richemont selbst die Zügel in die Hand nehmen und versuchen, das Steuer herumzureißen.

Nahezu ohne Schrammen kam auch die im Besitz der Familie Pinault befindliche Pariser Holdinggesellschaft PPR SA. davon, zu der etwa eine Elektronikkette, Einrichtungshäuser oder ein Versandhandel gehören: Sie setzte 2009 alles in allem 16,5 Milliarden Euro um - vier Prozent weniger als im Jahr zuvor. Der Modebereich allein stellt rund ein Viertel des Umsatzes. Neben dem Sportartikelhersteller Puma ist die 11.400 Beschäftigte zählende Gucci-Gruppe, mit Marken wie Yves Saint Laurent, Alexander McQueen und Stella McCartney, das stärkste Asset. Ihr Nettogewinn stieg im Vorjahr auf rund 700 Millionen Euro, wovon allein die Marke Gucci rund 600 beisteuerte.