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Top oder Flop

Von Rosa Eder-Kornfeld

Wirtschaft

Von der Mikrowelle bis zur Spielkonsole: Innovationen gibt es unzählige, bei einem Großteil bleibt der Erfolg aus. Externe Akteure in den Entwicklungsprozess einzubinden, kann die Marktchancen erhöhen.


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Wien. Top oder Flop? Wenn in einem Unternehmen aus einer Idee eine Innovation entsteht, heißt das noch lange nicht, dass das neue Produkt oder die neue Technologie am Markt besteht. Neben zahlreichen Erfolgsgeschichten gibt es eine noch größere Anzahl an Innovationen, die trotz großen Einsatzes von Personal und Geld scheitern und deren Misserfolg auf den unterschiedlichsten Gründen basiert.

Bei der Magnetschwebebahn Transrapid, einst als Wunderwerk der deutschen Hightech-Industrie gepriesen, war es eine ganze Serie von unglücklichen Ereignissen, die das Prestigeprojekt nach jahrelangen Vorarbeiten zu Fall brachten. Ausufernde Kosten, Konkurrenz durch den Hochgeschwindigkeitszug ICE, die Verbilligung des Flugverkehrs und ein Unfall, bei dem 23 Menschen ums Leben kamen, führten dazu, dass der Transrapid über die Testphase nicht hinauskam.

Mit Open Innovation einen anderen Weg gehen

Auf der Mülldeponie der gescheiterten Innovationen lagern auch unzählige Produkte für den Normalverbraucher, die es zwar in die Regale schafften, denen der kommerzielle Erfolg jedoch versagt blieb. So wurden etwa von Apples Spielkonsole "Pippin" von 1995 bis 1997 nur 42.000 Stück verkauft. Das Gerät, im Vergleich mit der damals aufkommenden Playstation von Sony zu leistungsschwach und zu teuer, verschwand nach zwei Jahren sang- und klanglos wieder vom Markt - ein Schicksal, das in den 1990er Jahren auch zahlreiche andere Spielkonsolen ereilte.

Die Liste ließe sich noch lang fortführen, vor allem im Bereich der Konsumgüterindustrie. Dort entwickeln sich rund 70 Prozent der Innovationen zu Flops, weiß Johann Füller. Er ist CEO der im Jahr 2000 gegründeten Innovationsagentur Hyve AG mit Sitz in München, die seit dem November des Vorjahres auch eine Österreich-Tochter hat, die von Michael Maier geführt wird.

Der Name Hyve leitet sich vom englischen Wort für Bienenstock - hive - ab, und auch das Logo des Unternehmens sieht wie ein Bienenstock aus. Füller und sein Team unterstützen ihre Kunden dabei, besser und auch anders zu "innovieren". Anders heißt, nicht mehr hinter verschlossenen Türen an Lösungen tüfteln, sondern in einem offenen Prozess gemeinsam mit externen Partnern: Mit Kunden und Mitarbeitern, Lieferanten, Start-ups und Universitäten. "Open Innovation" auszuprobieren, bedeute, den Blick von außen zuzulassen, so Füller.

Seit dem 2000 hat Hyve eine Reihe namhafter Unternehmen beraten, darunter ist auch der deutsche Konsumgüterriese Beiersdorf. "Beiersdorf wollte ein neues Deo auf den Markt bringen und ist zu uns gekommen", erzählt Füller im Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Hochwirksame Deos mit allerlei Zusatznutzen gab es bereits zuhauf, etwas Neues musste her. Aus Diskussionen in Internetforen und -blogs über die Nutzung von Deos las man das Kundenbedürfnis nach einem Produkt, das keine Schweißflecken an der Kleidung hinterlässt, heraus.

In mehreren Schritten wurde, auch unter Einbeziehung von Beiersdorf-Mitarbeitern, die verfleckte T-Shirts zur Verfügung stellten, und Textilexperten ein neuartiges Deo entwickelt. Eine Online-Studie bestätigte, dass Potenzial zum Massenprodukt vorhanden war. "Nivea Invisible Black & White" hat sich bis jetzt 4 Millionen Mal verkauft und ist laut Füller somit die erfolgreichste Innovation in der Geschichte von Beiersdorf - und wurde schon über zehn Mal kopiert. Die Berater von Hyve konnten mit ihrem Ansatz den Innovationsprozess, der bei Beiersdorf normalerweise sieben Jahre dauert, auf dreieinhalb Jahre reduzieren. Beiersdorf lädt seitdem auch immer Konsumenten ein und versucht, unterschiedliche Akteure in den Produktentwicklungsprozess einzubinden.

Füller, Jahrgang 1971, ist nicht nur Unternehmensberater, sondern seit 2012 auch Inhaber des Lehrstuhls für Innovation und Entrepreneurship an der Universität Innsbruck und kennt die Stolpersteine auf dem Weg zur erfolgreichen Innovation. "Zum einen ist das Timing ganz wichtig", sagt er. "Man kann zu früh sein, also dem Markt weit vorauslaufen." Die Mikrowelle etwa, die 1945 zum Patent angemeldet wurde, setzte sich erst ab Mitte der 1960er Jahre durch. Bis dahin war sie den Hausfrauen zu groß, zu schwer und zu teuer. Zudem gab es noch keinen Bedarf für Rationalisierung in der Küche. Die Haufrau der 1950er Jahre kochte frisch. Heute hat die Mikrowelle in fast jedem Haushalt ihren fixen Platz.

Dann gibt es noch eine Hürde, die Füller "ungerichtetes Brainstorming" nennt. "Unternehmen sagen oft: Wir brauchen eine Innovation, lasst uns Ideen generieren. Ohne aber zu wissen, was überhaupt gebraucht wird." Immer wieder am Konzept arbeiten und schauen, ob der Weg noch der richtige ist, kann viel Geld und Enttäuschung sparen. Füller: "Am Anfang ist alles noch ganz flüssig. Ein Konzept kann ich innerhalb einer Woche verändern, einen Prototypen in drei Monaten." Wenn aber schon Millionen in Produktions- und Vertriebsstätten und Werbung geflossen seien, gebe es keinen Weg mehr zurück.

"Der Schweißist das Teure"

Wenn von Erfindungen und Innovationen die Rede ist, fällt unweigerlich das Zitat des US-amerikanischen Erfinders Thomas Alva Edison (1847-1931): "Genie ist ein Prozent Inspiration und neunundneunzig Prozent Transpiration." Edison musste es wissen, gehen auf sein Konto immerhin rund 2000 Erfindungen. Füller drückt es so aus: "Der Schweiß ist das Teure." Der Unternehmer und Wissenschafter betont: "Wir befinden uns in einer Ära, in der wir wieder Erfinder und Entdecker brauchen. Weil die bisherigen Geschäftslogiken durch die Digitalisierung fundamental neu gedacht werden müssen."

Künstliche Intelligenz (KI) werde in künftigen Innovationsprozessen eine ganz große Rolle spielen. "Wir sind damals groß geworden als Pioniere der Open Innovation, vor allem ermöglicht durch die Nutzung des Internets. Wir können plötzlich mit vielen Menschen interagieren und Dinge machen, die wir vorher nicht konnten. Das wissen wir aber mittlerweile", so Füller. "Ganz viele Aktivitäten im Innovationsprozess haben mit Schweiß zu tun. Jetzt stellen Sie sich einmal vor, Künstliche Intelligenz würde Ihnen das abnehmen." Die virtuelle Assistentin Alexa der Zukunft könnte zum Beispiel weltweit Datenbanken durchforsten und Informationen zu einem Thema aufbereiten - was eigentlich eine "stupide Handarbeit" sei.

Die großen Zukunftsthemen sind für Füller Gesundheit, Mobilität, Energie und Klimawandel. Fasziniert haben ihn persönlich ganz besonders die Innovationen auf dem Kommunikationssektor. Dann hätte er sich auf seinen Reisen als junger Mann mit Rucksack einige Mühsalen erspart. Aber auch seine Skier würden ihm abgehen, wenn sie nicht jemand erfunden hätte.