Unterschiedliche Länderinteressen und eine Doppelrolle erschweren das Amt des EU-Außenbeauftragten.
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Brüssel. Der Titel ist ein klangvoller, die Aufgabe müsste eine interessante sein. Beides fällt noch bis Herbst Catherine Ashton zu. Die Britin ist die erste "Hohe Vertreterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik", sie steht dem Auswärtigen Dienst vor, einer Behörde mit mehr als 3600 Mitarbeitern, die in fast 140 Botschaften und Delegationen auf der ganzen Welt werken. Sie ist damit die Chefdiplomatin der EU, soll der Außenpolitik der Europäer ein Gesicht und eine Stimme verleihen. Neben ihrer Leitungsfunktion bei den Sitzungen der Außenminister hat sie auch eine Rolle in der EU-Kommission: Dort ist sie Vizepräsidentin.
So viel zur Theorie, die im Vertrag von Lissabon festgeschrieben ist. Das Abkommen trat Ende 2009 in Kraft, und Ashton nahm ihre Arbeit auf. Doch schon bald wurden die Grenzen ihres Amtes sichtbar. Und das Ringen um ihre Nachfolge machte es einmal mehr deutlich.
Bis in die Nacht hinein berieten die Staats- und Regierungschefs am Mittwoch über die Neubesetzung des Postens. Die Entscheidung soll auf einem weiteren Sondergipfel am 30. August fallen.
Strategie für Verteidigungspolitik
So würdig das Amt auch ist - mit einer allzu markanten Persönlichkeit soll es anscheinend nicht besetzt sein. Viel zu gern stehen die Minister bis hin zu den Premiers nämlich selbst im Rampenlicht, wenn es um außenpolitische Erfolge geht. Zu unterschiedlich sind noch dazu die Interessen der Mitgliedstaaten.
Das machte die Aufgabe Ashtons umso schwieriger. Ob bei der Entwicklung einer Strategie für die Verteidigungspolitik, militärischen Einsätzen in Krisengebieten, einer Reaktion auf Konflikte in der nahen oder weiteren Nachbarschaft der EU bis hin zu Sanktionen gegen Russland: Die Meinungsunterschiede der Länder verwässerten oft genug eine gemeinsame Position zu einer "allgemeinen Ausrichtung". Starkes Auftreten der Außenbeauftragten machte dies meist unmöglich.
Staaten versus Kommission
Daran schien aber der Britin selbst ebenfalls selten gelegen zu sein. Vielmehr wurden ihr diplomatisches Geschick, Zähigkeit und Ausdauer attestiert - Eigenschaften, ohne die wahrscheinlich weder die Aufnahme der Gespräche zwischen Serbien und dem Kosovo noch der Start der Verhandlungen mit dem Iran gelungen wäre. Die Kritik, bis zur Häme reichend, die Ashton zu Beginn ihrer Tätigkeit entgegenschlug, wurde mit der Zeit leiser.
Doch obwohl sie allzu viel Eigenständigkeit auch in Zukunft nicht akzeptieren werden, wollten die Staaten nicht erneut das Risiko eingehen, sich wie vor fünf Jahren vorwerfen zu lassen, eine unerfahrene und blasse Persönlichkeit mit dem Job des Hohen Repräsentanten zu betrauen. Und noch eines konnten sie nicht außer Acht lassen: Der Kandidat oder die Kandidatin muss das Gefallen des künftigen Präsidenten der EU-Kommission finden. Ashton ist nämlich Mitglied der Behörde. Deren designierter Leiter Jean-Claude Juncker hat bereits den Wunsch nach einem "starken und erfahrenen Akteur" geäußert. Das neue Kommissionsmitglied benötigt außerdem die Zustimmung des EU-Parlaments, das das gesamte Gremium bestätigt.
Diese Doppelrolle - von den Staaten nominiert und ihre Positionen koordinierend, aber der Kommission zugehörig - bildet eine weitere Hürde für den Außenbeauftragten. Nicht einfacher wurde die Nominierung auch noch dadurch, dass sie sich in ein komplexes Puzzle fügen musste, das die Besetzung gleich mehrerer EU-Spitzenposten darstellt. Den Anfang machte die Kandidatur Junckers; neben der Außenbeauftragten ist ebenfalls der Ratspräsident zu bestellen. Bei all dem galt es die unterschiedlichen Länder, Interessen, Parteienfamilien aber auch zwei Geschlechter zu berücksichtigen. Eine reine Männerpartie können die Gremien nämlich nicht sein.
Frauen favorisiert
All das erklärt auch die heftigen Spekulationen im Vorfeld der Nominierung. Die von den Italienern favorisierte Außenministerin Federica Mogherini ist zwar eine Frau und als Sozialdemokratin ein Gegengewicht zum Christdemokraten Juncker. Doch als Chefdiplomatin ihres Landes war sie zuvor nur wenige Monate im Amt. Außerdem wünschen sich die Osteuropäer eine härtere Haltung gegenüber Russland als von Italien vertreten. Als Alternative tauchte an der Gerüchtebörse daher der Name des italienischen Ex-Premiers Massimo D’Alema auf - der allerdings keine Frau ist. Was übrigens auch für den polnischen Außenminister Radoslaw Sikorski gilt, der ebenfalls für den Job des Außenbeauftragten im Gespräch war. Aber nicht für die Bulgarin Kristalina Georgiewa, die als EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe zuständig ist.
Sikorski wiederum hätte sowieso keine Chance, wenn Polens Premier Donald Tusk Ratspräsident werden sollte. Über dessen Aussichten hatten zuletzt polnische Medien spekuliert. Von einer Anwärterin aus dem Norden war ebenfalls die Rede: von der dänischen Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt.
Ginge es nach der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, würde das fein austarierte Personalpaket in einem geschnürt. Doch allein die Suche nach dem künftigen Außenbeauftragten gestaltete sich äußerst zäh. Bei dieser Besetzung muss es aber auch schneller gehen als bei der Nominierung des Ratspräsidenten. Der jetzige, Herman Van Rompuy, ist noch bis Ende November im Amt. Ashtons Legislaturperiode jedoch endet schon im Oktober.