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Topjobs: Ihr Gewicht wird sich erst in Jahren zeigen

Von Wolfgang Tucek

Analysen

Anfang Dezember treten der EU-Ratspräsident und der EU-Außenminister ihre Ämter an. Was das genau bedeutet, weiß bisher noch niemand. Erst nach ein einigen Jahren wird man beurteilen können, welches Gewicht die neuen EU-Spitzenrepräsentanten haben und wo sie tatsächlich ihren Platz im Brüsseler Machtgefüge haben. Das hängt natürlich auch von den Personen ab, die die Jobs ausüben und dadurch positionieren. Erwartet wird, dass der Ratspräsident anfangs eher mehr Aufmerksamkeit genießt, mittelfristig jedoch der Außenminister deutlich mächtiger sein wird.


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Laut dem Vertrag von Lissabon soll der Präsident des Europäischen Rates, wie er exakt heißt, die Treffen der Staats- und Regierungschefs vorbereiten und ihnen vorsitzen. Zusätzlich soll er politische Leitlinien vorgeben. Der Außenminister, laut Vertrag "Hoher EU-Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik", vereint die Jobs von Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner und die außenpolitischen Agenden von EU-Chefdiplomat Javier Solana.

Einer Meinung sind Experten und Diplomaten, dass der Außenminister à la longue der zweite starke EU-Mann neben Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso werden kann. Er ist Vizepräsident der EU-Kommission, Vorsitzender der Treffen der EU-Außenminister, hat mit einem neu zu schaffenden Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) tausende Diplomaten und EU-Beamte sowie EU-Botschaften in gut 170 Ländern unter sich und verfügt über ein Milliardenbudget. Er fährt künftig mit Barroso und dem Regierungschef des jeweiligen Vorsitzlandes zu den Gipfeltreffen mit dem US-Präsidenten oder dessen russischen Kollegen und vertritt die Interessen der EU weltweit in Krisensituationen.

Freilich kann der EU-Außenminister nicht im Alleingang die Außenpolitik der Union bestimmen. Nur wenn er die Unterstützung aller 27 Mitgliedsstaaten hat, kann er auch eine einheitliche EU-Linie vertreten. Denn in der Außenpolitik gilt auch nach dem Inkrafttreten des Lissabonner Vertrags am 1. Dezember Einstimmigkeit bei allen Entscheidungen. Diese herbeizuführen wird eine der wesentlichen Aufgaben des neuen EU-Außenministers. Das Gewicht der großen Mitgliedsstaaten wird dadurch nicht kleiner.

Wie ein Mensch diesen Job alleine schaffen soll, ist vielen ohnehin schleierhaft. Schon die bisherige Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner verbrachte oft 40 Stunden pro Woche im Flugzeug, um ihren Terminen rund um den Erdball nachzukommen, Solana spielte gleichzeitig die Krisenfeuerwehr. Mittwochs sollte der Außenminister als Vizepräsident möglichst in Brüssel der Sitzung der EU-Kommissare beiwohnen, einmal im Monat in Straßburg.

Manche können sich schon vorstellen, dass der Ratspräsident ihm ein wenig Arbeit abnehmen könnte. Denn der verfügt bloß über rund ein Dutzend eigene Mitarbeiter und darf darüber hinaus ein wenig auf den EAD und dessen Informationen zugreifen. Seine Rolle sei eher nach innen gerichtet, meinen Diplomaten. Sein Job werde es vor allem sein, die Abläufe in Brüssel zu optimieren und womöglich hochrangigen Gästen die Hände zu schütteln. Für die Außenvertretung hat er kein Mandat.

Nicht gedacht ist der EAD im Übrigen, um die nationalen Botschaften oder gar Außenministerien zu ersetzen, sondern die EU-Strukturen zu straffen. Er setzt sich vor allem aus den Beamten der bisherigen Generaldirektion Außenpolitik der EU-Kommission und jenen, die bisher für Solana arbeiteten, sowie nationalen Diplomaten zusammen. Praktisch für kleine Mitgliedsstaaten: In Ländern, wo sie keine Botschaften haben, finden ihre Bürger Hilfe in den EU-Delegationen.

Siehe auch:Leitartikel: EU sucht keinen Superstar

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